Die Geschichte spürst du sehr

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ellus Avatar

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Eine Familie der gebildeten, wirtschaftlich gut aufgestellten Oberschicht nimmt also - mit den aus ihrer Sicht besten Absichten - eine Schulfreundin der Tochter, ein Flüchtlingsmädchen aus Somalia, mit in den Sommerurlaub.

Wer dem Coverbild nach von einer Lektüre mit Urlaubsstimmung ausgeht, wird sich, ganz wie die Figuren des Buches, mit vielen unangenehmen Erkenntnissen konfrontiert sehen, vor denen man nicht die Augen verschließen kann und denen es sich als Mensch zu stellen gilt.

Der erzählerische Fokus der Handlung ist ganz anders gelegt, als ich das zuerst angenommen und erwartet hätte. Gerade dadurch aber kann Glattauers unglaublich präzise, scharfe Gesellschaftsbeobachtung ihre aufrüttelnde Wirkung entfalten. In seiner unverwechselbaren Glattauerschen Sprache, mit charmant-österreichischem Einschlag, kann man sich den aufgeworfenen emotionalen, moralischen, aber zuletzt vor allem menschlichen Fragestellungen nicht entziehen.

Der wahrgenommene Wert eines Menschen, eines Lebens, die kühle Bewertung von angenommenen Fluchtgründen aus einem privilegierten, sicheren Leben heraus, und damit die Einteilung in "schlechtere" und "bessere" Geflüchtete, Gutmenschentum in seiner ursprünglichen und seiner instrumentalisierten Bedeutung, die Unsichtbaren und Unhörbaren einer Gesellschaft... - wichtige und aktuelle Themen des Umgangs mit der Flüchtlings"krise" in Europa sind hier schmerzhaft spürbar gemacht.
Wirklich großartig beobachteter und erzählter, berührender und bedrückender Roman!