Ein ganz besonderes Buch

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sikal Avatar

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Dass Daniel Glattauer schreiben kann, hat er bereits mehrfach bewiesen. Mit seinem neuesten Roman „Die spürst du nicht“ legt er uns ein Sittenbild unserer Gesellschaft vor und lässt uns mal ordentlich über so Manches nachdenken. Und ich finde, es ist ihm vollends gelungen. Doch alles der Reihe nach …

Zwei befreundete Familien, die Strobl-Marineks und die Binders, wollen einen Luxusurlaub in der Toskana verbringen und mieten eine Villa mit allem Drum und Dran. Tochter Sophie Luise darf ihre Freundin Aayana mitnehmen, der sie das Schwimmen beibringen möchte. Aayana, ein somalisches Flüchtlingskind, ist sehr zurückhaltend während Sophie Luise extrovertiert ihre Selfies in sämtlichen Social Media Kanälen posten möchte. Ebenso mit dabei sind noch zwei jüngere Kinder, mit denen die beiden Teenager aber nicht so viel anfangen können. Zwischen Oliven, Wein und guter Laune passiert plötzlich eine Katastrophe, die das Leben aller verändert.



Der Autor schafft mit dieser Charakterstudie ein unglaubliches Bild unserer Gesellschaft und mehrmals musste ich kopfschüttelnd überlegen, ob wir wirklich so sind. Und ich musste feststellen – ja, wir sind wirklich so. Man braucht nur mal einen Zeitungsartikel zu lesen (und am besten noch die Kommentare dazu) und man weiß, Glattauer hat uns perfekt getroffen. Erschreckend eigentlich!

Während wir einerseits auf diejenigen Menschen treffen, die auf der Butterseite gelandet sind, gibt es noch die andere Seite, die Verstummten, diejenigen, die übersehen und überhört werden. Denjenigen gibt Glattauer eine Stimme, in Form eines etwas eigenartigen Rechtsanwaltes, der die gutsituierten Strobl-Marineks auf Schadenersatz verklagt. Auf eine sehr hohe Summe, wohlgemerkt – der Spott sei ihm sicher, so die allgemeine Meinung. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Und welchen Wert hat eigentlich der Tod eines Kindes?



Während die Erwachsenen mit den Rechtsanwälten über die Höhe des Schadenersatzes verhandeln und in ihrer eigenen Welt sind, versucht Sophie Luise mit ihrer Trauer umzugehen und trifft auf eine Person im Chat, der sie vollstes Vertrauen schenkt: Pierre, ein begabter Comiczeichner, der Sophie Luise zu verstehen scheint wie niemand sonst. Nichtsahnend treibt das Mädchen in eine Welt fernab der Realität und ahnt nicht, welche Wahrheit hinter Pierres Geschichte steckt.



„Die Wahrheit ist ein Chamäleon, sie wechselt ihre Farbe mit dem Blickwinkel des Betrachters.“



Daniel Glattauer hat eine sehr treffende Gesellschaftskritik in einer spannenden Geschichte verpackt und erhebt das Wort für diejenigen, die sich am liebsten unsichtbar machen. 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung