Eine Geschichte über die Mühe mit der Wahrheit (oder warum es manchmal leichter wäre, die Augen einfach zuzumachen)

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wienerin Avatar

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Was machst du, wenn du das Kind einer Flüchtlingsfamilie mit in den Urlaub nimmst – man ist ja schließlich ein guter Mensch – und dann verunglückt dieses Kind, weil man sich nicht ausreichend gekümmert hat?
Willst du das Ganze nur irgendwie vergessen/ verdrängen und fühlst dich selber schlecht und ergehst dich in Selbstmitleid oder hinterfragst und checkst du, was du da wirklich angerichtet hast? Dass du einer Familie, die durch ihre Fluchtgeschichte ohnehin schon mehr als ein Trauma im Gepäck hat, noch ein weiteres auflädst?

Um diese Frage herum lässt Daniel Glattauer eine aufstrebende österreichische Grün-Politikerin mit Familie auf der einen Seite (sie war es, die das somalische Flüchtlingsmädchen auf Wunsch ihrer Tochter in den Urlaub mitgenommen hat) und eine niederösterreichische Winzerfamilie auf der anderen Seite mit sich ringen.
Der Zivilprozess, in dem die Eltern des Flüchtlingsmädchens die Grün-Politikerin auf einen Schadenersatz von € 200.00 klagen und den diese anfänglich mit Hilfe eines gewitzten Anwalts nur durchstehen und hinter sich bringen möchte, führt letztendlich zu einer grundlegenden Veränderung der Betrachtungsweise, gestützt auch durch die Lebens- und Fluchtgeschichte der Familie, die erzählt wird.

Besonders gefallen hat mir der Stil, in dem das Buch geschrieben ist, und der mir das Gefühl vermittelt hat, dass mir diese Geschichte von einem Bekannten erzählt wird, so leichtfüßig und angenehm unaufgeregt liest es sich. Auch gut fand ich die eingestreuten Pressemitteilungen samt Postings (die mich stark an eine österreichische Zeitung und deren Internetauftritt erinnert haben ;-))

Was mich ein bisschen irritiert hat, war, dass auch bei diesem Verlag offenbar kein Lektor mehr drüberschaut, ob das mit Grammatik und Rechtschreibung so passt - oder was bitte ist ein "Reisnagel"?