Eine Woche im Juli mit Folgen

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daggi Avatar

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[Hörbuchbewertung] Es sollte ein entspannter Urlaub für zwei befreundete Familien werden, eine ruhige Woche im Juli. Aber schon am ersten Abend endet das Vergnügen und ein Teenager verunglückt.

Daniel Glattauer gestaltet den Anfang mit Einführung der einzelnen Personen wie ein Theaterstück. Messerscharf und pointiert zeichnet er Lebensumstände und Beziehungsgeflechte. Die Charakterisierung des Ehepaares Binder anhand des unterschiedlichen Griffs in die Olivenschale ist gut gelungen. Wirklich sympathisch ist mir erstmal Niemand. Die 14 jährige Sophie-Luise hat Aayana, ein gleichaltriges Flüchtlingsmädchen aus ihrer Klasse, aus ziemlich eigennützigen Gründen eingeladen und will ihr unbedingt das Schwimmen beibringen.

Der Blick von oben auf die Gruppe ist vorbei und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Von allen unbemerkt ertrinkt die stille Aayana im Pool.

Für mich ziemlich überraschend ist dieser Teil der Geschichte schon nach wenigen Seiten erreicht. Aber die Nachwirkungen sind nicht weniger wichtig.

Wie geht man als Beteiligter damit um? Besonders, wenn man als Politikererin um seinen Ruf bedacht ist und in den sozialen Medien genau durchleuchtet und angegangen wird.
Natürlich muss für den anstehenden Prozess eine "gemeinsame Wahrheit" gefunden werden. Das meint jedenfalls der geniale Verteidiger, der vom Auftreten ein wenig an Professor Boerne aus Münster erinnert.

Die spürst du nicht, gilt auch für Sophie-Luise. Neben ihrer anstrengenden jüngeren Schwester (die seltsamerweise nach dem Urlaub nur noch einmal erwähnt wird) fühlt sie sich nicht wahrgenommen und nach dem Vorfall bekommt der vorher oberflächliche Teenager keine Hilfe von dem Eltern und sucht sie woanders.

Lange Zeit erfährt man nicht allzu viel von Aayanas Familie. Der Schlussbericht vom Leben in Somalia und der langen Flucht bis nach Österreich ist beklemmend, auch weil die erzählende Mutter der Familie eindringlich, aber ohne Pathos spricht.

So viele Themen in einem Roman. Flüchtlingsproblematik, Doppelmoral, Anfeindungen im Netz, Freundschaftskonstellationen, Frustrationen, Depression, Drogensucht - nicht immer in die Tiefe gehend, dafür aber deutlich und mit feiner Ironie gewürzt. Die Dialoge sind authentisch und die Abschnitte mit den News und Kommentaren erschreckend lebensnah formuliert.

Mir hat es richtig gut gefallen und ich kann es nur weiterempfehlen.

Die Sprecher Tessa Mittelstaedt und Steffen Groth höre ich gern, sie schaffen es beide, unterschiedliche Personen herauszuarbeiten und deutlich zu artikulieren.
Besonders die Differenzierungen bei den Social-Media-Kommentaren fand ich gelungen.