Empathie, wann ist sei veloren gegangen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
dicketilla Avatar

Von

Zwei österreichische Familien planen einen gemeinsamen, exklusiven Urlaub in der Toscana. Die 14-jährige Tochter der einen Familie führt als Bedingung für diese Reise, die Mitnahme ihrer Mitschülerin Aayana an, ein somalisches Flüchtlingskind. Ihr will Sophie Luise ihr Leben zeigen, worauf es ankommt, dem armen Kind etwas bieten, und außerdem könnte sie mit entsprechenden Fotos für mehr Likes in ihren Sozialen Medien sorgen. Aayana, die kaum Deutsch spricht, schüchtern ist, fühlt sich etwas deplatziert, möchte sich am liebsten unsichtbar machen. Und dann kommt es zu einem Unfall, der die Familien zu unterschiedlichen Reaktionen veranlasst.

Man hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, mit den Eltern von Aayana ins Gespräch zu kommen. Jeder sieht eigentlich nur seine eigentlichen Befindlichkeiten, empfindet diesen Vorfall als eine Last, die es gilt aus dem Gedächtnis zu verbannen. Persönliche Ereignisse, Einschränkungen gewinnen an mehr Bedeutung, als dieser unliebsame Vorfall. Wo bleibt die Empathie, fragt sich der Leser oftmals. Selbst Sophie Luises Mutter, Politikerin der Grünen, zeichnet sich durch eine Art Doppelmoral aus, wobei man gerade hier mehr Engagement in die richtige Richtung erwartet hätte. Sophie Luise driftet in eine andere Welt ab, unbemerkt von den Eltern. Was ist eigentlich ein Menschenleben wert?

Daniel Glattauer zeigt nicht nur die Gefühlswelt der Beteiligten, er mischt auch Pressemitteilungen und deren Kommentare in deren Foren in seine Handlung. Kommentare oft voller Verachtung und diskriminierend den Beteiligten gegenüber. Ein Phänomen in den Sozialen Medien, in denen sich Möchtegerne voller Dummheit und Hass austoben und belustigen, keinerlei Empathie für die Betroffenen empfinden. Haut den Lukas immer drauf. Durch diese Einbindungen wird der Lesefluss etwas unterbrochen, was mich aber nicht störte. Im Gegenteil, die Brisanz und die Moralvorstellungen kommen dadurch etwas näher an den Leser heran, lassen Freiraum für den eigenen Blick. Ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, deren Werte verloren gehen zu scheinen. Es zeigt aber auch, dass oft Vorurteile gegenüber Flüchtlingen Vorrang haben, ohne sich die Mühe zu machen, sich für deren Geschichte zu interessieren.

Ein anderer Daniel Glattauer offenbart sich hier. Es gibt zwar auch diese Art des hintergründigen Humors, der aber mehr als Stachel eingefügt ist. Für mich ein sehr wichtiges Buch, welches gelesen werden sollte, aber sicher leider nicht von Köpfen, die es so nötig hätten, oder besteht doch noch etwas Hoffnung?