Man nehme zwei gut betuchte Familien, einen Sommerurlaub in der Toskana, ein Flüchtlingsmädchen aus Somalia und einen unbewachten Pool - fertig ist das Drama, mit dem sich Daniel Glattauer in seinem neuen Roman "Die spürst du nicht" beschäftigt. Ist das Leben eines Flüchtlingskindes automatisch weniger wert? Glaubt man einer gut situierten Politikerin mehr, weil sie in der Öffentlichkeit steht? Zugegeben harter Tobak, mit dem der Autor seine Leser in diesem Roman konfrontiert, aber nach wie vor brandaktuelle Themen. Ausgezeichnet gelungen finde ich auch die Charakterzeichnung seiner Figuren: Da gäbe es zunächst das Ehepaar Binder - Engelbert Binder, seines Zeichens Weinbauer und die Gemütlichkeit in Person. Er ist mit Melanie verheiratet, die - so scheint es - immer ein wenig die Bestätigung der anderen braucht, um im Leben erfolgreich zu sein. Mit von der Partie sind auch Oskar Marinek und seine Gattin Elisa Strobl-Marinek. Dass die Ehe der beiden schon lange mehr Schein als Sein ist, offenbart sich den Lesern bereits auf den ersten Seiten. Oskar liebt nichts mehr, als permanent seine Belesenheit unter Beweis zu stellen und sich überlegen zu geben, während Elisa gute Miene zum bösen Spiel macht, weil sie den Schein nach außen zugunsten ihrer Politik-Karriere wahren muss. Und dann gibt es da noch ihre Tochter Sophie, die es sich in den Kopf gesetzt hat, ihrer somalischen Freundin Aayana das Schwimmen beizubringen. Wirklich sympathisch war mir von den beiden Familien niemand, was für mich aber den Kontrast zwischen "Gutmensch" und "ein guter Mensch sein" nur verstärkt hat. Das Buch liest sich recht flott, wozu auch die recht lustigen Passagen mit dem "Staranwalt" beitragen. Einen Stern Abzug gibt es aber, da die Textstrecken mit den Postings zu einem Zeitungsartikel recht mühsam waren, die hätte es meiner Meinung nicht gebraucht oder wenn, dann in stark gekürzter Version. Alles in allem aber wieder ein grandioser Glattauer!