Idylle und Katastrophe

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stella08 Avatar

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Das Cover verspricht eine sommerliche, lockere Urlaubslektüre. Der Titel und der Klappentexten deuten da in eine andere Richtung. Letzteres trifft zu. Die beiden befreundeten Familien Binder und Strobl-Marinek verbringen ihren Sommerurlaub mit ihren Kindern in einem Villa in der Toskana. Die ältere Tochter der Strobl-Marineks darf eine Schulfreundin mitnehmen, Aayana. Sie ist ein somalisches Flüchtlingskind, das seit 2 Jahren in Österreich wohnt und eine ganz andere Vergangenheit hat als die anderen Kinder im Urlaub. Alles scheint perfekt, bis bereits am ersten Tag in der Idylle eine Katastrophe passiert die schreckliche Folgen für alle Beteiligten hat.

Glattauer gelingt es die Charaktere auf eine erfrischende Art vorzustellen, sodass man nicht das Gefühl hat von der Menge und deren Eigenarten überrumpelt zu werden. Zu Beginn lernt man die Familienmitglieder der beiden Familien kennen, die allesamt priviligiert sind und im Verlauf des Romans dann doch mehrere Facetten haben werden. Sympathisch war mir niemand zu Beginn, das muss aber auch nicht sein. Jede Person geht mit der Katastrophe anders um, die Einen ziehen sich zurück, die Anderen wollen reden, wieder Andere suchen sich neue Bezugspersonen. Am Ende kommt es zu einem zivilrechtlichen Prozess, bei dem sich besonders Elisa Strobl-Marinek verantworten muss, um eine hohe Schmerzensgeldklage abzuwenden.

Generell gefällt mir der klare und deutliche Schreibstil und das Nutzen der verschiedenen Textformen sehr gut. Mal liest man fiktive Presseartikel, verschiedene Kommentare dazu, Chat-Konversationen oder E-Mails. Dadurch ist die Geschichte abwechslungsreich erzählt.

Glattauer hält der Gesellschaft den Spiegel vor, sodass ich häufig denken musste: "Sind wir wirklich so?" Erschreckenderweise war meine Antwort häufig, ja. Die Presseartikel und die daraufhin geposteten Kommentare fühlten sich so echt an, dass ich wirklich das Gefühl hatte, diese würden existieren.

Auch wenn der Roman zum Teil sehr schockierend und erschreckend war, ist es nicht nur ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und regt zum nachdenken an. Auch erzählt Glattauer die Geschichte derer, die keine Stimme haben, um hinter die Fassade von Familien, die geflüchtet sind zu blicken.

Eine absolute Leseempfehlung. Themen wie Flucht und Traumata werden thematisiert, aber auch das (fehlende) Miteinander und aufeinander Achten. Ein ganz wichtiges Buch, dass nicht immer leicht zu lesen war, mich aber sehr berührt hat und zum Nachdenken gebracht hat.