Sehr berührend

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marialein Avatar

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Dass Flüchtlinge in ihren Aufnahmeländern wie Deutschland oder Österreich eine Art Schattendasein führen, wurde ja bereits umfassend thematisiert. Allerdings wurde wohl kaum jemals so anschaulich und eindrücklich beschrieben, was passieren kann, wenn man sein eigenes privilegiertes Leben als einzig „normales“ und erstrebenswertes betrachtet statt seinen Mitmenschen tatsächlich zuzuhören.

Die Strobl-Marineks, um die es in Glattauers neuem Roman konkret geht, bilden sich viel darauf ein, dem somalischen Mädchen Aayana aus der Klasse ihrer Tochter die Gelegenheit für eine Woche Luxusurlaub in der Toskana im eigenen Ferienhaus mitsamt Swimmingpool zu bieten. Sogar schwimmen soll es dort lernen können, na was für ein Glück. Dass das Mädchen sehr vorsichtig, ja gar ängstlich ist, wird großzügig ignoriert. Und was man als Leser schon sehr früh in der Geschichte ahnt, tritt schließlich ein, es kommt zu einem furchtbaren Unglück.

Das Erlebnis ist ein großer Schock für alle Beteiligten, die jeder auf seine Weise versuchen die Erlebnisse zu verarbeiten. Wessen Sicht hier aber nicht geschildert wird, ist die von Aayanas trauernder Familie, die völlig von der Bildfläche verschwunden zu sein scheint.

Ohne zu viel verraten zu wollen, werden die Strobl-Marineks aber schließlich doch gezwungen, sich mit dem Hintergrund von Aayanas Familie auseinanderzusetzen. Und so schrecklich die Geschichte auch ist, entsteht aus dieser Konfrontation doch etwas sehr Schönes: die Erkenntnis, dass wir einander zuhören sollten. Wie wenig es eigentlich braucht, um einen gewaltigen Unterschied zu bewirken und den Menschen Sichtbarkeit zu geben, die es wirklich nötig haben.

Der sehr kurze Roman, der immer wieder mit Zeitungsartikeln und einer Auswahl von Kommentaren versehen ist, liest sich dennoch nicht so leicht dahin, wie man es von einem so dünnen Buch erwarten würde. Man muss das Gelesene auf sich wirken lassen und immer mal auch einen Schritt zurückgehen, denn immer wieder wird einem auch vor Augen geführt, wie sehr man selbst doch auch in seiner Blase sitzt. Zwar machen der Sprachwitz und die teilweise sehr emotionale Schreibweise das Lesen angenehm, aber es ist eben alles andere als leichte Kost.

Der Roman lässt einem mit dem Gefühl dafür zurück, wie gut und wichtig es ist, dass es sich lohnt, sich auch mal mit schwierigen Situationen auseinanderzusetzen, die man sonst vielleicht scheut. Ein sehr gelungenes Werk.