tragisch; sehr lesenswert

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Rezension zu „Die spürst du nicht“ von Daniel Glattauer
David Glattauer hat für seinen Roman eine ungewöhnliche Erzählform gewählt. Er schreibt zunächst in einem amüsant-lockeren Ton, der den Leser in eine heitere Stimmung bringt. Ein fröhlicher Sommerroman beginnt, doch durch den Klappentext wird klar: so wird es nicht bleiben und so kommt die erste Wendung überraschend. Die ungewöhnliche Erzählform folgt. Immer wieder sind Kapitel eingestreut, die sich wie in Internetforum, ein Zeitungsartikel oder ein Interview lesen. Toll gemacht!
Die Form unterstützt den Inhalt dabei sehr. Durch die Formen (Internetkommentare etc.) werden die Inhalte noch deutlicher in die Gesellschaft gehoben und auf unsere reale Gesellschaft projiziert. Schnell hat man das Gefühl, der Roman kann einen realen Hintergrund haben und unsere Gesellschaft, oder Teile davon, könnten genau so reagieren. Es geht um Flüchtlinge und den Umgang mit ihnen und die (Nicht-)Akzeptanz anderer Kulturen, darum, was ein Leben wert ist und darum, was ein Unglück mit einer Familie macht. Der Roman zeigt auf, welche Fragen unterschiedliche gesellschaftliche Schichten in diesem Zusammenhang beschäftigen und er hält uns einen Spiegel vor.
Die Charaktere sind in diesem Roman durch ihre Vielseitigkeit gut gewählt. Elisa, eine Politikerin, trägt die Themen des Romans unfreiwillig in die Öffentlichkeit im Roman. Sie ist gefangen zwischen den Ereignissen, ihrer Familie und ihrer Karriere. Ihr Mann Oskar ist ein Egoist aus der Oberschicht und unglaublich unsympathisch. Die ältere der zwei Töchter der beiden wirkt früh verloren, ihr Umgang mit dem Internet ist kritisch.
Die Freunde der Familie tauchen immer wieder auf, wobei sich immer wieder die Frage stellt, wie viel Freundschaft die vier eigentlich verbindet. Sie sind wohl eher eine Schicksalsgemeinschaft.
Es kommen wenige weitere Charaktere hinzu, die den Roman interessant machen, hier aber zu viel verraten würden.
Insgesamt ist der Roman überaus lesenswert. „Die spürst du nicht“ ist eine tragische Geschichte, die in verdichteter Form Teile unserer Gesellschaft wiederspiegelt und dadurch zum Nachdenken anregt. Der Roman bewegt und schockiert bisweilen. Er besticht außerdem mit seiner besonderen Erzählform. Bitte mehr davon!