Überlange Geschichte, die nicht auf den Punkt kommt

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biscoteria Avatar

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„Die Spur der Vertrauten“ war für mich dieses Jahr das umfangreichste Rezensionsexemplar mit 640 Seiten und wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.
Ich würde jetzt gerne großes Lob an das Buch aussprechen, kann dies leider jedoch nicht. Mit reißerischen Aussagen wie:

• Brillant und vielschichtig geschrieben: Spannung bis zur letzten Seite
• Eine bewegende Dystopie und ein wahrer Pageturner für Leser*innen ab 14 Jahren!
• Für Fans von «Die Tribute von Panem» und «1984»

konnte ich leider überhaupt nicht mitgehen. Es fehlt Spannung, es ist kein „Pageturner“ und es hat vor allem überhaupt nichts mit Büchern wie DTvP gemeinsam.

Beginne ich mal mit dem offensichtlichen. Im Klappentext erwähnt werden die beiden Charaktere Goliath und Claire.

Goliath ist gerade frisch volljährig geworden und wäre nun mit der Schule fertig und seiner Bestimmung gemäß bereits für einen Arbeitsplatz als Schützer bestimmt. Schützer kann man sich wirklich vom Wort Beschützer abgleichen. Hier ist es aber die langweilige Arbeit einfach nur auf der Straße den Schülerlotsen zu spielen. Doch er sieht für sich mehr. Denn er hat nach einem Einsatz seine beiden Arme verloren und trägt Prothesen und muss es nun mit einer Verlängerung von 29 Tagen schaffen, noch einen Menschen das Leben zu retten und in der Hierarchie aufzusteigen und ein Tugendhafter zu werden (anstatt ein Normaler zu bleiben).

Als weibliche Hauptprotagonistin steht dem Claire gegenüber. Die ein Geheimnis für sich hat, welches sie als eine abnormale Person klassifizieren würde. Denn es fehlt ihr der Instinkt. Sie wird als Vertraute geführt, welche sich die Probleme, Ängste und Geheimnisse der Menschen anhört und diese weitergibt, um für Hilfe und Ordnung zu sorgen. Menschen mit dieser Fähigkeit tragen ständig Kopfhörer, weil sie sonst durchgängig von den Gefühlen und Worte der anderen erschlagen werden würden. Doch sie hat diese Fähigkeit überhaupt nicht und trägt daher immer zum Schein einen Kassenrekorder und die Kopfhörer.

Es gibt auch Menschen mit dem „verwaisten Instinkt“. Instinkte, die nicht benannt werden können, die in keine Kategorie gehören. Sie sind der Verwaltung, die über allem, ein Dort im Auge. Denn alles lebt und arbeitet und existiert nur für das Gemeinsame „Wir“. Es gibt kein „du“, „ich“ und kein Individuum.

Die Instinkte regeln den Alltag, Privat wie beruflich, die Zukunft und die Vergangenheit.

„Was bringen die Edlen Instinkte, wenn sie dem Bösen erlauben einzudringen? Was bringt es, uns alle für Retter zu halten? Was retten wir schon, außer dem schönen Schein?“

Das Buch teilt sich in zwei Teile auf. Im ersten sind nur Claire und Goliath im Mittelpunkt und wir erfahren viel über das „Wir“, über die Verwaltung, die Gesetze und erleben eine noch recht gut laufende Geschichte, wo die verschwundenen Kinder im Mittelpunkt stehen.

Ohne zu spoilern, gibt es eine große Kehrtwende, zum Ende dieses ersten Teiles. Der zweite Teil bezieht sich auf Geschehnisse, die folgen und geben mehr Einsicht in weitere Charaktere. Wir erleben, wie er Instinkt der Schützer Leben retten und erfahren, wer für die Beseitigung der zuständig ist, deren Instinkt nicht stimmig ist.
Und so interessant die Geschichte nun weitergehen könnte, geht es hier nur noch bergab.

Beginn Spoiler:

Durch das heldenhafte Eingreifen der beiden Hauptcharaktere wird Claire als die Megaretterin ernannt und wird zum Vorzeigebild für die Instinktive Verwaltung. Währenddessen Goliath als Schützer nicht auf der Straße arbeitet, aber für einen Erzengel mit einem Händchen für schnelles Ableben anderer Personen.

Claire ist ständig auf Tournee und zweifelt an sich und dem System. Goliath merkt, wie sehr er an Claire hängt. Beide beginnen sich vom „Wir“ zu distanzieren und versuchen ein „wir“ und „ich“ für sich zu finden.

Ende Spoiler

Leider passiert im zweiten Teil somit nichts mehr, außer das immer mehr Personen hinzukommen, teilweise nur mit Bezeichnungen wie „Frau X“ und absolut ungreifbar sind. Auch die beiden Hauptcharaktere bleiben blass und oberflächlich.

Ich wollte das Buch mögen. Ich habe den ersten Teil mit etwa 300 Seiten echt überflogen. Und dann in der zweiten Hälfte war ich froh, wenn ich 20 Seiten am Tag geschafft habe. Es lass sich wie eine tägliche Wiederholung der Dinge und ermüdete nur noch.

Die Autorin hätte gut getan das Buch um 200 Seiten zu kürzen und einfach mal Bewegung in die Story zu bringen. Aber viele Seiten kann man natürlich teurer verkaufen. Hier ist es das Geld leider nicht wert. Die erste Hälfte vom Buch erhält 4 Sterne. Die zweite Hälfte vom Buch nur 2 Sterne. Somit sind es gemeinschaftliche 3 Sterne für ein „Wir“ was ich leider nicht empfinden konnte und bin daher auch mit meinem Instinkt bei der Autorin in Zukunft raus.