Portrait einer starken Frau

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nuca Avatar

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Das Buch hat mich tief beeindruckt und bewegt und nach dem Lesen musste ich erst mal einen Tag lang darüber nachdenken, bevor ich die Rezension schreiben konnte.

Die Abwechslung zwischen den drei Erzählperspektiven gibt dem Buch Intensität und dem Leser einen guten Überblick über die Beweggründe aller Beteiligten. Ich möchte nicht behaupten, die kranke Gedankenwelt eines Folterers und Mörders wirklich zu verstehen, aber Martins Gedankengänge sind in ihrer kranken Logik zumindest nachvollziehbar. Auch warum Tina ("Das dumme Gör!" dachte ich manchmal beim Lesen) ihm verfällt und sich in ihn verliebt, kann man als Leser nachvollziehen. Auch wenn man beim Lesen überzeugt ist, man selber hätte mit Sicherheit anders gehandelt.

Am meisten hat mich aber Irene bewegt. Sie ist nicht nur die Mutter eines Opfers, sondern auch die Stiefmutter eines Täters und als solche schafft sie es manchmal, ihren Stiefsohn gegenüber Fremden zu verteidigen. Obwohl sie ihn selber hasst und dafür sorgen möchte, dass er seine gerechte Strafe erhält, verletzt es sie, wenn andere in ihren Augen zu krass über ihn urteilen. Sie gibt sich eine Mitschuld an den Ereignissen und sucht verzweifelt nach dem Warum und vor allem nach der Antwort auf die Frage, was sie selber anders hätte machen können. Doch hätte es überhaupt eine Auswirkung auf Martins Lebensweg gehabt, wenn Irene sich ihm gegenüber anders verhalten hätte? Wahrscheinlich nicht. Irene beweist in diesem Buch nicht nur Mut, sondern auch viel Stärke. Der Schluss, als sie Tinas Mutter und Bruder bei sich aufnimmt und sich darauf freut, den kleinen Benny bei sich aufwachsen zu sehen, hat mich sehr gerührt. Zwar hat Irene alles im Leben verloren (ihren geliebten Mann, ihren Sohn, auch ihren Stiefsohn), aber sie schaut nach vorne und versucht, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Das macht Mut.