Das im Verborgen lauernde Böse

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Der Roman "Die Strömung" von Cilla und Rolf Börjlind ist der dritte Teil der Krimireihe um die junge Ermittlerin Olivia Rönning und den einst sehr bekannten Ermittler Tom Stilton.

Dem Krimi wird ein Zitat vorangestellt, das einem schon einen Eindruck dessen, was einen erwartet, vermittelt:

verborgen
in der Menschenmenge
dieses Böse bis über beide Ohren

- so lautet das Zitat von Bruno K. Oijer.

Dass etwas Böses im Gang ist, ahnt man schnell, als man die erste Szene des Romans liest,die 2005 spielt. Vier Männer betreten eine Kneipe und lassen sich in einer Ecke der Kneipe nieder, wo sie relativ für sich sind. Als Leser erfährt man durch die Ahnung des Barkeepers, dass die vier Männer etwas Böses umgibt, denn er spürt sofort, dass ihnen etwas Unnormales anhaftet: " Nicht durch ihre Kleidung – die war im Wesentlichen korrekt: dunkle Anzüge, weiße Hemden und Krawatten. Es war etwas anderes, was der Barkeeper unbewusst wahrgenommen hatte. Vielleicht die Homogenität. Die Männer waren fast im Gleichschritt und dicht beieinander hereingekommen, bewegten sich alle äußerst kontrolliert, fast im Gleichschritt. Sicherheitsbeamte?, fragte er sich. Möglicherweise. Alle vier hatten extrem kurz geschorenes Haar. Und alle vier sahen sehr, sehr schwedisch aus." (Seite 7). Liest man kurze Zeit später die Begriffe,, die sie gemeinsam , ja man kann sagen, schwören: Ehre / Hierarchie / Disziplin / Treue (vgl. Seite 9), dann macht sich beim Leser eine Ahnung breit, dass sie einer rassistischen Gruppierung angehören.
Sie machen einem der Männer, der scheinbar Geburtstag hat, ein Geschenk, vermutlich einen Besuch bei einer Prostituierten in einem nahegelegenen Hotel. Später kommt er wieder und schenkt den drei anderen die ihm zuvor überreichte Geschenkbox zurück. " Einer der Männer machte sie auf und starrte ein paar Sekunden lang auf den Inhalt. »Scheiße, wie eklig.« Er schob die Schachtel von sich. »Verdammt, was hast du gemacht?« (Seite 13). Ohne dass der Leser erfährt, was in der Schachtel ist, ist schon hier ein erster Spannungsbogen aufgebaut, denn genau an dieser Stelle erfolgt ein erster Schwenk hin zu einem zweiten Handlungsstrang. Es wird allerdings atmosphärisch deutlich, dass das "Böse" (siehe vorangestelltes Zitat) hier aus dem Verborgenen getreten ist.

Ein zweiter Handlungsstrang befasst sich mit einem Mord an einem dreijährigen Kind, der 2011 aus Ghana adoptierten Emelie Andersson, das in der Obhut seiner Großmutter war und umgebracht wurde, als sie wenige Minuten im Haus ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes war, um ans Telefon zu gehen.
Olivias Polizeirevier ist mit diesem Fall betraut. Auch hier passt das Motto, das sieht man an dem ersten Satz, der das Kapitel einleitet: " Hätte sie doch nur den Schatten gesehen – oder gehört, wie Zweige hinter der dichten Hecke zerbrachen" (Seite 20).
Noch ahnt man nicht, wie alles zusammenhängt, man kann nur vermuten, dass der Titel "Die Strömung" für mehr als nur die Strömung im Meer steht, wie es vielleicht das Titelbild suggeriert, das ein Boot, das auf aufgewühlter, stürmischer See treibt, zeigt. Eine Strömung ist auch eine Bewegung, also könnte es vielleicht auch um eine rassistische Bewegung gehen? Dazu würde jedenfalls die Herkunft Emelies und die Gruppierung, die am Anfang des Romans präsentiert wird, passen.

Ein spannender Krimi, der einen wahrscheinlich durch weitere düstere Gefilde führen wird, wenn man an das vorangestellte Motto denkt. Zweimal hat man seine Bewandtnis schon nachvollziehen können, sicher werden noch weitere Male folgen.