Monumentales Gesellschaftsportrait in den modernen USA

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yellowdog Avatar

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Die Stunde, in der ich zu glauben begann - Wally Lamb:

 

Meine Rezension:

 

Von Wally Lamb ist man umfangreiche und gefühlvolle Romane gewöhnt, die ein realistisches Bild der modernen USA und ihrer Gesellschaft zeigen. So ist es auch in seinem neuen Roman.

Im Mittelpunkt stehen die Ereignisse vom Columbine-Massaker in Littleton und der Traumatisierung der Opfer. Exemplarisch wird die Schulkrankenschwester Maureen gewählt, die das Massaker an der Highschool überlebte, aber stark traumatisiert wurde und mit den Nachwirkungen in Form von Depressionen, Stress und körperlichen Schmerzen reagiert. Ihr persönlicher Niedergang wird vom Ich-Erzähler, dem Lehrer Caelum Quirk erzählt, und das in der unnachahmlichen Art einer typischen Wally Lamb-Figur.

Der Autor schafft den Spagat zwischen leicht verständlichen Erzählen im Bestsellerstil und einer ausgeklügelten, psychologischen Gesellschaftsstudie, die so intensiv ist, dass der Leser tief mitfühlen kann.

 

Dabei werden gut die Zustände und die angespannte Atmosphäre der Gesellschaft in den USA in dieser Zeit gezeigt.

Bei den Schilderungen der Geschehnisse bleibt Wally Lamb realistisch, aber auch sehr deutlich. Die schlimmen Belastungen auf die Protagonisten nach dem Vorfall gehen an die Grenze. Dafür zeigt der Autor aber nicht das Massaker in der Schule direkt, sondern nur aus den geschilderten Erinnerungen der Beteiligten, das mildert einen zu voyeuristischen Blick, und das tut dem Text gut.

 

Da die Leserwartung sich auf die Ereignisse um das Schulmassaker konzentriert wirken die ausführlichen Schilderungen der Biografie des Erzählers ein wenig langatmig und hält den Lesefluss auf, aber andererseits kann auf diese Informationen im Verlauf des Romans nicht verzichtet werden, wenn Caelum sich letztlich auf die Suche nach seiner Herkunft macht, um seine Wurzeln zu finden.

Die sehr große Länge des Romans wird gewählt, um der Komplexität des Themas gerecht u werden und da Lamb sich viel Mühe bei der Ausbildung seiner Figuren gibt und ihnen einen Background gibt und so komplette Figuren erschaffen hat.

Trotzdem hätte ich mir einige Kürzungen zur Straffung gewünscht.

 

Ansonsten liegt eine besondere Stärke des Romans im Entwurf der Hauptfiguren.

Quirk und Maureen sind als realistische Figuren angelegt, die Schwächen und Macken haben, aber dadurch besonders glaubwürdig und letztlich auch sympathisch wirken. Ihr Schicksal lässt den Leser emotional nicht kalt.

Auch einige der Nebenfiguren sind ganz interessant, z.B. die rebellische, aber literarisch begabte Velvet, die in enger Beziehung zu Maureen und Quirk steht.

Aber hier bleibt doch eine Distanz des Lesers zur Figur und das ist vom Autor vermutlich so gewünscht.

 

Insgesamt ein beeindruckendes und lesenswertes Buch!