Die Idee hat mir gefallen, die Umsetzung nicht

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marieon Avatar

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Nur noch ein Tag bis Semesterende und Lucy ist aufgedreht. Phil will ihr in den nächsten Tagen die Berliner Seenlandschaften zeigen. Weg von den Spielen, die sie programmieren wollen. Sie hüpft die Stufen des Berliner Altbauflurs hinauf in die Wohnung, die sie sich mit Oliver teilt. Als sie die Tür ihres Zimmers öffnet, vergeht ihre gute Laune sofort. Ihr Schreibtisch und der Stuhl wurden zur Seite geschoben, um einem Konzertflügel Platz zu machen. Sie kennt den Steinway, der mehr als den halben Raum für sich beansprucht genau. Sie hatte lange darauf spielen müssen, zur Freude ihrer Mutter. Obwohl sie sicher ist, dass ihre Mutter ihr das Kindheitsmonster geschickt hat, wundert sie sich, dass auf dem Lieferschein der Mädchenname ihrer Großmutter steht.

Erst vor drei Jahren ist Lucy von München an die TU Berlin gegangen, um Mathematik zu studieren. Den Kontakt zu ihrer erdrückenden Mutter und den zu allem schweigenden Vater hat sie abgebrochen. Jetzt haben sie wohl doch herausgefunden, wo sie steckt. Lucy weiß nicht viel über ihre Großmutter, eigentlich nur, dass sie mehrfach abgehauen ist. Zuerst vor dem schreienden Vater und der erdrückenden Mutter nach Sopot, in die Danziger Bucht, zu ihrer Tante, aber die hat sie sofort in den Zug zurück gesetzt. Dann ist sie 1942 vor den Nazis geflüchtet. Jemand half ihr über die Grenze nach Ungarn, von dort in die Türkei und dann in den Libanon, wo sie Physik studierte.

Fazit: Paola Lopez hat in ihrem Debüt eine Familiengeschichte geschaffen, die drei Generationen zeigt. Kapitelweise erzählt sie aus dem Leben der jungen Lucy, ihrer Mutter Daria und deren Mutter Lyudmila. Alle drei Frauen haben sich für ein Studium entschieden, das sie ehrgeizig zu Ende bringen. Die Autorin hat einen Generationskonflikt geschaffen, wie es ihn häufig gibt. Lyudmila hat traumatische Erfahrungen gemacht, musste ihr Land verlassen und sich in einer fremden Kultur alleine durchbeißen. Sie fordert von anderen ebensoviel wie von sich selbst, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Ihre Tochter Daria hadert mit ihrer Mutter, weil sie sich ungewünscht fühlt. Sie erinnert ihre Mutter hart und selbstbezogen. Die Jüngste im Bunde, Lucy, fühlt sich von ihrer Mutter unterdrückt und emotional erpresst. Es wirkt, als habe jede Generation den roten Herkunftsfaden an die Nächste weitergegeben und nur die Lebenden können das Dilemma auflösen. Ich muss gestehen, dass ich kaum in die Geschichte hineingefunden habe. Alle drei Frauencharaktere sind dominant, selbstbezogen, überheblich und selbstüberschätzend. Diese emotionale Kühle zieht sich durch den gesamten Roman. Wenn Gefühle gezeigt werden könnten, werden sie von Pathos überdeckt. Die Autorin hat viele Beschreibungen chemischer Experimente, mathematischer Gleichungen und ebensolche Metaphern genutzt, die mich aus dem Lesefluss gehauen haben. Ich habe mehr gedacht als gefühlt und häufig den Kopf geschüttelt. Die Idee der Geschichte hat mir gefallen, aber die Umsetzung gar nicht.