Ein Roman der Andeutungen

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In "Die Summe unserer Teile" werden drei Frauen aus drei Generationen beschrieben, deren Lebenswege von Migration, Wissenschaft und familiärer Entfremdung bestimmt sind. Die Chemikerin Lyudmila, die Ärztin Daria und die Informatikerin Lucy bewegen sich durch unterschiedliche Länder und Zeiten auf der Suche nach Selbstbestimmung und oft gegen Widerstände. Als Lucy ein altes Familienklavier erbt, beginnt sie, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen und reist in die Vergangenheit der Familie.

Der Roman entwickelt sich über mehrere Jahrzehnte und Perspektiven hinweg. Die Zeitsprünge und wechselnden Blickwinkel erzeugen ein fragmentiertes Bild, das sich nur langsam zusammenfügt. Vieles bleibt unausgesprochen, Lücken ziehen sich durch die Geschichte. Das Schweigen zwischen den Figuren, aber auch innerhalb der Erzählung, ist ein zentrales Motiv.

Die Sprache ist ruhig und stellenweise poetisch mit vielen atmosphärischen Bildern und wissenschaftlichen Metaphern. Die drei Hauptfiguren bleiben dabei oft schwer greifbar. Nicht, weil ihnen die Tiefe fehlt, sondern weil die Autorin offenbar bewusst ihre Innenwelten nicht vollständig aufdeckt. Es bleibt eine gewisse Widersprüchlichkeit zurück.

Thematisch ist der Roman sehr ambitioniert. Mutterschaft, Migration, Traumata und Selbstverwirklichung werden ohne einfache Erklärungen behandelt. Gerade darin liegt jedoch auch eine Schwäche. Vieles wird angedeutet, aber nicht weitergeführt. Manche Entwicklungen wirken unvermittelt, Konflikte bleiben unklar. Auf relativ wenigen Seiten werden viele Themen angerissen, was stellenweise zu einem Gefühl der Überfrachtung führt.

"Die Summe unserer Teile" ist ein nachdenklicher Roman. Er fordert Aufmerksamkeit nicht durch Handlung, sondern durch Zwischentöne. Doch nicht alle Fragen werden beantwortet und nicht jede Entwicklung wirkt plausibel.