Microkosmos Familie

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Seit drei Jahren hält die Informatikstudentin Lucy eine strikte Kontaktsperre zu Ihrer Mutter Daria. Sie hat sich ihr WG-Leben in Berlin gut aufgebaut und hat eine sehr gute Freundin und deren Freund als Ersatzfamilie. Doch eines Tages kommt sie nach Hause und sieht in ihrem Zimmer den verhassten Steinway zusammen mit einer Grußkarte von ihrer Mutter und damit ist sie völlig überfordert. Sofort ertrinkt sie in Selbstmitleid bezüglich ihrer aus ihrer Sicht überbehüteten Kindheit, der omnipräsenten Mutter und dem Vater der sich gegen seine dominante Frau nicht durchzusetzen vermag. Der einzig interessante Aspekt an diesem ungewollten Präsent ist die Unterschrift der Mutter auf der Postkarte, denn diese hat mit dem Nachnamen der Großmutter unterschrieben. Einer Frau, über der Lucy nur Anekdoten weiß: Sie floh im zweiten Weltkrieg von Polen nach Beirut und baute sich dort ein Leben als Chemikerin auf, zu ihrer Tochter Daria, Lucys Mutter, hatte auch diese keinen Kontakt. Also beschließt Lucy, auch um der für sie emotional überfordernden Situation mit dem verhassten Klavier zu entkommen, das sie zum Sehnsuchtsort ihrer Großmutter in Polen fährt um ihr nahe zu sein. Die Zugtickets nach Sopot und eine dortige Unterkunft sind schnell gebucht, denn auf die allzu großzügige monatliche Unterstützung ihrer Eltern hat Lucy trotz ihrer eigenen Kontaktsperre natürlich nicht verzichtet.

Drei hochintelligente Frauen die ihr Leben der Wissenschaft verschrieben haben und für viel mehr ist dort auch kein Platz. Die Protagonistinnen sind emotional meilenweit voneinander entfernt, der Leser auch, da vieles in Rückblenden erzählt wird. Obwohl die Lebenswege jeder Einzelnen recht interessant sind, hat mich die Skizzierung der drei „Alpha“-Weibchen doch sehr frustriert. Familie ist auch Diplomatie, das kommt in der Erzählung von Paola Lopez gar nicht zum Ausdruck. Stattdessen hadert jede Frau entweder mit dem in ihren Augen fehlentwickelten Nachwuchs oder auf der anderen Seite dem Versagen der Mutter, ohne, und das war für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, mal die Dinge zu hinterfrage. Mir fehlten auch in diesen Konstellationen die Väter, als Männer und Lebensgefährten kommen sie vor, jedoch als Väter sind sie nur in Ausnahmen präsent. Einziger Lichtblick sind die Freundinnen der Protagonistinnen. Jeder Frau hat die Autorin eine Bezugsperson zur Seite gestellt, die sich trotz der Tatsache, dass sie unterschiedliche Generationen vertreten, sehr ähnlich sind und auch für mich völlig vernünftig agieren und argumentieren.

Es ist eine Geschichte die so viel verpasste Chancen aufweist, was in vielerlei Hinsicht traurig ist.