Vom tönenden Schwingen eines unbespielten Flügels

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mausi_liest Avatar

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Drei Frauen, drei Generationen, drei Länder – eine Familie: verbunden über die Mutterlinie, getrennt durch ihr Schweigen. Wie dieses Schweigen durch einen Flügel, der zu groß ist für Lucys Studentenzimmer und ihr die Luft zum Atmen raubt, aufgebrochen wird, ohne dass er selbst bespielt wird: davon erzählt dieser Roman.
Welche Stücke alle in den Saiten stecken, welche Töne zu der Familienmelodie gehören, die von den drei Frauen ganz unterschiedlich zusammengesetzt werden, erfahren die Leser*innen jeweils aus der Perspektive von Lucy, ihrer Mutter und ihrer Großmutter. Aus den einzelnen Versatzstücken entsteht ein Lied sowohl über die jeweilige Frau als auch über die Verbindungen untereinander.
In klarer, präziser Sprache zeichnet Paola Lopéz ihre Figuren facettenreich mit all ihren Brüchen, ihren Gefühlen und ihren Leerstellen. Dadurch wirken sie auf mich alle authentisch, und ich konnte ihr Verhalten gut nachvollziehen. Die Schauplätze der Handlung stecken voller Bilder, die auch die weggedrückten Gefühle der Protagonistinnen symbolisieren. Die innere Willenskraft der Frauen ist stets spürbar. Diese und die Kraft der Bindung werden auch mit den farbigen Pinselstrichen des Portraits auf dem Cover ausgedrückt, was somit gut zum Inhalt des Buches passt.
Ein dichter, mitreißender Roman, dessen Hauptfiguren tief und eindrücklich ausgeleuchtet werden, obgleich sie selbst Schatten werfen. Als psychologisch interessierte Person wird man in diesem Buch viele Anregungen finden zum Thema Verhaltensmuster und deren ungewollte Weitergabe an die nachfolgende Generation.