Wir sind mehr als die Summe unserer Teile

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larissa2808 Avatar

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Lucy, Anfang 20, studiert Informatik, lebt in Berlin und hat vor einigen Jahren den Kontakt zu ihrer Mutter Daria abgebrochen. Diese ist Ärztin und hatte genau wie Lucy heute zu ihr, zu ihrer eigenen Mutter Lyudmiła einst ein schwieriges Verhältnis. Lyudmiła hat in den 50iger-Jahren Chemie in Beirut studiert, nachdem sie aus Polen geflohen war, und war Zeit ihres Lebens Wissenschaftlerin durch und durch. Der Umgang mit ihrer Tochter Daria hingegen fiel ihr immer schwer. Durch die Generationen ziehen sich also die Wissenschaft und die komplizierten Mutter-Tochter-Verhältnisse.
Die Geschichte wird nun aus den drei Blickwinkeln der Frauen jeweils in der Blüte ihres Lebens, also zu unterschiedlichen Zeiten erzählt. Wir lesen über Lyudmiłas Leben im Beirut der 50er-Jahre, über Darias Leben als Studentin und junge Mutter im München der 90er-Jahre und über Lucys Leben in den 2010ern, als sie beschließt, auf den Spuren ihrer Großmutter zu wandeln und dafür in den kleinen Küstenort Sopol nach Polen reist.

Die großen Themen sind vererbte Traumata und die Suche nach Heimat und Zugehörigkeit. Besonders spannend fand ich, wie sich Erlebtes auf Verhalten auswirkt vor allem in den Passagen, wenn das Verhältnis zwischen Daria und Lyudmiła thematisiert wird. Fast schon schmerzvoll habe ich das erste Zusammentreffen der beiden Frauen nach Lucys Geburt miterlebt. Wie kühl Lyudmiła mit Tochter und Enkelin umgeht und auf das schreiende Baby reagiert.
Alles was wir erleben hinterlässt irgendwo in uns seine Abdrücke und verändert uns und wir wiederum beeinflussen das Erleben unserer Kinder und somit wiederum deren Wesen und Verhalten. Dieser Roman hat diesen komplexen Sachverhalt wirklich gut eingefangen und auch wenn mir die Protagonistinnen weder sympathisch, noch nah waren, hatte ich ein deutliches Bild von ihnen und habe die Geschichte als sehr "echt" empfunden.