Ein Café, in dem die Zeit stillsteht

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„Die Tage im Café Torunka“ ist bereits der dritte Roman von Satoshi Yagisawa, der in deutscher Übersetzung erschienen ist. Auch diesmal wählt der Autor einen besonderen Ort als Bühne für Begegnungen ganz unterschiedlicher Menschen und ihrer alltäglichen Geschichten. Statt der bekannten Buchhandlung Morisaki steht nun jedoch ein abgelegenes Café im Mittelpunkt – ein Platz, der meist nur von Einheimischen besucht wird und gerade durch seine Ruhe und Abgeschiedenheit eine besondere Anziehungskraft entfaltet.
Im Unterschied zu seinen beiden früheren Romanen rückt Yagisawa diesmal nicht eine einzelne Hauptfigur ins Zentrum, über die die Leser nach und nach auch andere Charaktere kennenlernen. Stattdessen überlässt er nacheinander verschiedenen Ich-Erzählern die Bühne, die aus jeweils ganz eigenen Beweggründen den Weg ins Café Torunka finden. So entsteht ein Mosaik aus Lebensgeschichten, das von gewöhnlichen Menschen erzählt – Bürgern mit ihren Sorgen, Hoffnungen und kleinen wie großen Träumen. Diese sind nicht immer unbeschwert: Gerade auch die jüngeren Figuren haben bereits Erfahrungen mit Verlust, Unsicherheit oder Orientierungslosigkeit gemacht. Da ist etwa der Student, der noch keinen Platz im Leben gefunden hat, oder das Mädchen, das sich in den Freund ihrer verstorbenen Schwester verliebt – weniger aus romantischen Gründen, sondern als Ausdruck ihres Wunsches nach Reife und einem Umgang mit ihrer Trauer.
Wie schon in seinen Vorgängerwerken bleibt Yagisawas Ton ruhig und unaufgeregt. Seine Erzählweise ist leicht zugänglich, lädt zum Mitfließen ein und vermittelt das Gefühl, als stünde die Zeit still, sobald die Figuren das Café betreten. Die Welt außerhalb rückt in den Hintergrund; einzig die Geschichten der Menschen zählen. Atmosphärisch arbeitet der Autor mit leisen Andeutungen, ohne sich in ausführlichen Beschreibungen zu verlieren.
„Die Tage im Café Torunka“ ist eine stille, unprätentiöse Lektüre, die keine großen Gesten braucht, um das Auf und Ab des Lebens einzufangen – auf eine Weise, in der sich viele Leser wiedererkennen können. Zwar bleibt Yagisawas Werk auch im dritten Band nicht ganz frei von dem Verdacht, vor allem als ansprechendes „Geschenkbuch“ zu funktionieren. Doch hebt es sich von vielen vergleichbaren Titeln ab, weil es trotz seiner Schlichtheit eine untergründige Ernsthaftigkeit und Tiefe bewahrt, die es lesenswert macht.