"Habe ich Ihnen je von meiner Tochter erzählt?"

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suse9 Avatar

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Cover, Titel und Klappentext versprechen – wenn auch kein einfaches – so doch ein interessantes Buch und das ist es auch. „Die toten Frauen von Juarez“ greifen ein Thema auf, das wichtig und wert ist, beachtet zu werden. In Juarez verschwinden seit vielen Jahren alte und junge Frauen, um nie oder nur tot aufgefunden zu werden. Die Behörden sind machtlos oder geben sich so. Wer zu viele Fragen stellt, macht sich verdächtig und muss mit Repressalien rechnen.

 

Im Buch von Sam Hawken begegnen wir Kelly, einem abgehalfterten Boxer aus den USA, der versucht, in Juarez wieder auf die Beine zu kommen. In nicht ganz legalen Boxkämpfen mimt er den Punchingball für seine mexikanischen Gegner und hält sich so über Wasser. Paloma ist der Lichtblick in seinem Leben. Sie gibt ihm Halt und auch wenn sie es nicht hören mag, liebt Kelly sie über alles. Paloma setzt sich für die verschwundenen Frauen von Juarez ein und engagiert sich. Als auch sie eines Tages nicht mehr nach Hause kommt, ist Kelly am Ende.

 

Das Buch „Die toten Frauen von Juarez“ ist unglaublich offen und brutal geschrieben. Unvorstellbar grausame Szenen bieten sich dem Leser und gehen teilweise bis an die Grenze des Ertragbaren. Dennoch hat Sam Hawken eine Art zu schreiben, die mich faszinierte. Die Sprache ist wunderbar dicht und er versteht es fantastisch, die Hitze Mexikos, das Elend der Bevölkerung und die Gewalt auf den Straßen so überzeugend darzustellen, dass ich fast glaube, selbst schon einmal dort gewesen zu sein. Das ist es auch, was mir an dem Buch so gefallen hat. Die Atmosphäre ist greifbar und nah. Hawkens Charaktere sind detailliert ausgearbeitet und wirken realistisch.

 

In seinem Nachwort zum Buch bemerkt Sam Hawken, dass das Problem der verschwundenen Frauen aufgrund des kürzlich ausgebrochenen Drogenkartellkrieges an den Rand des Bewusstseins gedrängt wurde. Und auch im Buch muss ich feststellen, dass zeitweise von den Frauen gar nicht so viel die Rede war. Die Boxer- und Drogenszene nahm einen großen Teil der Geschichte ein, was zwar auffiel aber nicht weiter störte, da man so einen Gesamteindruck gewann. Der Autor zeigt mir eine fremde Welt und ich bin froh, dass ich sie aus der Ferne betrachten kann und nicht selbst erleben muss. Er hat keine Lösung, keinen Weg aus dieser Grausamkeit, aber er versucht, den Leser für Gefahren, Nöte und Ängste der Frauen in Juarez zu sensibilisieren.

 

Auch wenn das Buch von mir eine Leseempfehlung erhält, möchte ich dennoch einen Kritikpunkt anbringen. Die Geschichte enthält viele spanische Ausdrücke, die sicherlich sehr gut hingehören und hineinpassen. Wer aber kein Spanisch kann, wird im Regen stehengelassen. Es findet sich weder eine Erklärung noch eine Randbemerkung. Eine Übersetzung hätte ich mir gewünscht.