Blutarm, aber deshalb nicht minder beeindruckend

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Camilla Läckberg ist keine Tess Gerritsen oder eine Mo Hayder. Nein, Camilla Läckberg erzählt mit wenig Blut und leisen, aber deshalb nicht minder unter die Haut  gehenden Worten ihren aktuellen Roman “Die Totgesagten”.

Beim Lesen fühlte ich mich oft an Donna Leon und ihre Venedigkrimis mit Commissario Brunetti erinnert. Mit viel Fingerspitzengefühl fängt Läckberg die Stimmung ein; sei es bei den Familien der Opfer, beim Dreh der Reality-Soap oder dem familiären Alltag des Kommissars. So gelingt es ihr wunderbar, den Leser am Geschehen teilhaben zu lassen.

Waren die rasch wechselnden Szenen in der Leseprobe teilweise irritierend, ist es im Roman gerade dieses Stilmittel, dass über 400 Seiten die Spannung aufrechterhält. Die einzelnen Szenarien enden, sobald man neugierig geworden ist und es kaum abwarten kann, zu erfahren, wie es weitergeht. Die Konsequenz ist, man liest und liest und merkt gar nicht, wie schnell man sich dem Ende nähert. Zur Hälfte des Buches sind die einzelnen Erzählstränge auch aufeinander zugelaufen und spätestens jetzt sollte der Leser den roten Faden finden können.

Der Kriminalfall ist sehr gut konstruiert. Dank der aus der Perspektive eines Ich-Erzählers einfließenden Passagen hat der Leser neben Patriks Ermittlungsergebnissen eine weitere Informationsquelle und kann so vielleicht schon vor Patrik den Täter entlarven. Ich selbst war durchaus auf der “heißen Spur”, das Ende war dann aber doch überraschend und für mich so nicht vorhersehbar.
Hierbei hat mir sehr gut gefallen, dass der “Showdown” wie der ganze Roman daherkommt: auf leisen Sohlen, ohne großes Aufheben und dennoch sehr wirkungsvoll und nachhaltig. Gestört hat mich, dass leider ein Detail zur Lösung des Kriminalfalls bereits im Klappentext genannt wird.
           
Sehr gelungen bezeichne ich auch die Darstellung des Drehs der Reality-Doku einschließlich Charakterisierung der Teilnehmer und des Fernsehteams. Mögen die Szenen auch teilweise überzogen dargestellt sein, habe ich mit Freude die ironische und bis hin zuweilen auch sarkastische Gesellschafts- und Medienkritik gelesen.

Der ein oder andere Wermutstropfen soll dennoch nicht unerwähnt bleiben. Verwundert bin ich über die plötzliche Genesung von Ericas Schwester Anna. Baute sich für mich in der Leseprobe hier ein interessanter Nebenschauplatz auf, ist sie nach einem Gespräch (Details erfährt der Leser hierzu leider keine) mit einem guten Bekannten fast wieder ganz die Alte und meistert voller Tatkraft neues Leben. Bewundernswert für sie, aber für mich leider so nicht nachvollziehbar.
Bürgermeister Erling, dem zu Beginn des Buches viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, verschwindet weitestgehend im Hintergrund. Schade. Er wurde mit einem so vielfältigen Charakter vorgestellt und hat mich auf den ersten Seiten köstlich amüsiert. Von ihm hätte ich mir ein paar “Anekdoten” mehr gewünscht.
Letztlich bleibt noch Patriks Chef Mellberg. Seine “Liebesgeschichte” zeigt seine private Seite sowie eine damit einhergehende Wandlung im Verhalten gegenüber seinen Mitarbeitern. Wäre dieser Erzählstrang jedoch nicht gewesen, hätte ich auch nichts vermisst.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass “Die Totgesagten” zwar mein erster Läckberg-Krimi gewesen ist, aber definitiv nicht mein letzter. Der erste Teil der Reihe um Patrik und Erica liegt schon bereit und wird kurzfristig in Angriff genommen. Der Ausblick auf den fünften Teil im vorliegenden Roman macht nicht minder neugierig auf den Folgeband.