Ein Lebensweg...

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mammamia Avatar

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„Die Unbestechliche“ entführt die Leserschaft in das Nachkriegsdeutschland. In eine Zeit, in der das Land geteilt wird, in der es zu Studentenaufständen kommt, in der die Olympischen Spiele durch einen Terroranschlag in die Schlagzeilen kommen und in der es zu einer nie da gewesenen Ölkrise kommt, die die ganze Welt betrifft. Mitten drin ist die Hautprotagonistin Alice, eine junge Frau mit Träumen, die von der Realität oft eingeholt werden. Obwohl Mutter von zwei Kindern träumt sie von einer Karriere als Reporterin und Journalistin und das in einer Zeit, in der Frauen nur einer Anstellung nachgehen durften, wenn diese nicht die Vernachlässigung ihrer ehelichen und familiären Pflichten nach sich zog.

Grundsätzlich eine sehr interessante Thematik, die sich mit dem Lebenslauf von Maria von Welser zumindest in großen Teilen deckt (im Nachwort schreibt Maria von Welser, was Fiktion und was die Wahrheit ist). Und das macht das Buch lesenswert, weil es so aus dem Leben gegriffen scheint. Natürlich könnte man jetzt negativ kritisieren, dass dem Buch eine "wirkliche" Heldin fehlt, die sich gegen männliche Rollenideale auflehnt und dann auch noch als große Siegerin daraus hervorgeht. Aber mal ganz ehrlich, wer ist so eine Heldin? Und auch wenn sie in Romanen durchaus ihre Berechtigung haben (und Romane dürfen diese Ideale für unsere Realität haben), so tut es doch auch gut, von einer Alice zu lesen, die nicht immer mit dem Kopf durch die Wand muss, weil sie Verantwortung für andere, in diesem Fall für ihre Kinder, hat und dazu auch steht. Meiner Meinung nach durchaus heldenhaft. Und in Wahrheit lässt sie sich in der männerdominierten Welt ja auch nicht alles gefallen. Sie studiert die Männer und schlägt sie teilweise mit ihren eigenen Waffen bzw. entwickelt sie Methoden um doch an ihr Ziel zu kommen. „Schnecke, besteige...den Fujiyama, doch langsam…“. Ein Zitat aus dem Buch, welches Alice Weg sehr gut beschreibt. Sie war eine sympathische Figur, die ich gerne begleitet habe, auch wenn ich manche ihrer Entscheidungen nicht ganz verstanden habe, aber das muss ich ja auch nicht, weil sich die Figur dann viel mehr mit mir reibt. Auch die Welt um Alice mit allen ihren Schwierigkeiten und Liebenswürdigkeiten war sehr gut beschrieben und lebendig. Viele Gedankengänge und Unterhaltungen waren sehr philosophisch, was ich an Romanen sehr mag.

Was für mich allerdings mühsam war und was mich auch immer wieder am Weiterlesen ein wenig gestoppt hat, war der doch behäbige Schreibstil, der mitunter auch sehr oft wiederholend war. Etwas mehr Spritzigkeit hätte dem Ganzen gutgetan. Es gab viele Unterhaltungen von Alice und ihren zwei Freundinnen, die manchmal eigentlich wenig Gehalt hatten und unnötigerweise über Seiten fortgesetzt wurden. Solche Dinge hätte es meiner Meinung nicht gebraucht, weil dann die Handlung eher an einen Chick – Lit – Roman erinnerte, was er absolut nicht ist.

Wenn man als Leser*in jedoch darüber hinwegsehen kann, dann entfaltet sich ein Lebensweg, der mutig und gleichzeitig sehr real ist. Der viel Menschlichkeit, aber auch Unmenschlichkeit aufzeigt. Der aber auf jeden Fall zum Nachdenken einlädt.