Interessanter Einblick in den Journalismus der 70er Jahre

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leseclau Avatar

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„Die Unbestechliche“ erzählt über eine junge Frau in den 70er Jahren, die dafür kämpft, ihre Träume zu leben. Alice möchte als Journalistin über das Leben berichten. Und das als Frau! Und Mutter! In einer Zeit, als es sich schickte, dass sich Frauen ausschließlich um die Familie kümmern. Doch sie findet ihren Weg, erst als Volontärin einer Lokalzeitung, später im Sportressort einer großen Münchner Zeitung und dann sogar im Hörfunk. Das Autorinnenduo begleitet Alice an den Scheidepunkten ihres Lebenswegs.
Und in diesem Begleiten liegt für mich auch die Schwäche des Buchs. Es wird fast wie in einem Sachbuch eine Geschichte über Alice erzählt. Die Protagonistin kommt mir nicht wirklich nah, zu distanziert und journalistisch ist der Erzählstil. Fast als würde ich einen Zeitungsartikel lesen.
Aber diese Liebe der Autorinnen zum Journalismus macht das Buch letztendlich doch zu etwas besonderem. Der Einstieg in jedes Kapitel mit historischen Zeitungsberichten gefällt mir richtig gut. Diese sind so ausgewählt, dass sie einerseits Erinnerungen wecken, andererseits perfekt zum Abschnitt passen. Auch der Einblick in die Pressearbeit ist sehr bereichernd. In den Redaktionsmeetings und im Umgang der Personen untereinander wird der Zeitgeist schön eingefangen.
Fast schon überfliegen musste ich dagegen die politische Einwertung der jeweiligen aktuellen Ereignisse. Die ewigen (Kneipen-)dialoge und ein bisschen zu viel Moralisieren mit dem Holzhammer haben mein Lesevergnügen getrübt. Zudem empfand ich das Buch auch stilistisch überfrachtet: die Zeitungsartikel als Einstieg, Haikus als haltgebende Lebensweisheiten und dann noch die Parallelgeschichte von Alice im Wunderland wegen der Namensgleichheit zur Protagonistin. Da hätte mir mehr Innenleben von Alice und das wirkliche Auserzählen der anderen Hauptfiguren viel besser gefallen. Diese sind immer nur punktuell da, wenn sie gerade gebraucht werden und verschwinden ansonsten für lange Zeit im Nichts. Das fand ich sehr schade, da in diesen Figuren auch jede Menge Potential liegt.