Tiefgründiges Familiendrama mit kleinen Längen

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nele2505 Avatar

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Nachdem ich Julie Clarks ersten beiden Bücher regelrecht verschlungen habe, konnte ich es kaum erwarten, Die unsichtbare Hand in die Hände zu bekommen. Ihre Gabe, komplexe Figuren und spannende Geschichten zu erschaffen, hatte mich bisher immer begeistert. Auch dieses Buch hatte mich von der Prämisse her sofort: Eine Ghostwriterin, Olivia, die das Leben ihres Vaters Vincent aufschreiben soll, und dabei auf eine dunkle Familientragödie stößt – das klang nach einer perfekten Mischung aus Psychologie und Spannung.

Die Geschichte verknüpft geschickt Vergangenheit und Gegenwart. Besonders gelungen finde ich die Perspektivenwechsel, die nicht nur Spannung aufbauen, sondern den Charakteren auch Tiefe verleihen. Die Sichtweise von Poppy, einem der Opfer, sticht dabei besonders hervor. Sie gibt der Geschichte eine bittersüße, poetische Note, die mich wirklich berührt hat.

Was mir aber etwas gefehlt hat, ist die Dynamik, die ich aus Clarks vorherigen Büchern so geliebt habe. Der ruhige, eindringliche Schreibstil ist zwar wieder da, aber die Handlung hat sich in der Mitte stellenweise gezogen. Das Tempo war langsamer, was zur melancholischen Atmosphäre passt, aber mir persönlich ein wenig den Lesefluss genommen hat. Die Auflösung wiederum ist subtil und passend – kein großes Feuerwerk, sondern ein leiser, emotionaler Moment, der lange nachhallt.

Alles in allem ist Die unsichtbare Hand ein feinfühliger und spannender Roman, der Themen wie Schuld, Vergebung und familiäre Geheimnisse aufgreift. Obwohl er für mich nicht ganz an Clarks Erstlingswerk (immer noch mein Favorit: Der Tausch) herankommt, zeigt er dennoch ihre große Stärke für psychologische Tiefe und eine Atmosphäre, die unter die Haut geht. Eine solide 4 von 5 Sternen – gut, aber nicht ganz das Highlight, auf das ich gehofft hatte.