Das Datum

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miss norge Avatar

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„Die Unsterblichen“ ist ein ungewöhnlicher Roman, auf den man sich als LeserIn einlassen muss, um das Grundthema aus den verschiedenen Perspektiven zu verstehen.
Im Jahre 1969 sind die vier Geschwister Varya (13 Jahre), Daniel (11 Jahre), Klara (9 Jahre) und Simon (7 Jahre) neugierig, da sie von einer Frau gehört haben, die als Wahrsagerin ihren Kunden deren Todesdatum mitteilen kann. Unschlüssig, ob sie es wirklich wissen wollen, machen sie sich mit ihrem ersparten Geld auf den Weg und werden nacheinander von der Dame in die Wohnung gebeten. Sie sagt allen, auf den Tag genau, wann sie sterben werden, doch einerseits wollen die Kinder es glauben, andererseits sind sie viel zu jung um das ganze Ausmaß der Aussage ab- und einschätzen zu können. Im folgenden Verlauf des Buches werden in längeren Abschnitten die Lebensläufe der einzelnen Geschwister erzählt und wie sie leben bis zu dem besagten Datum. Sie erinnern sich immer an die Angabe der Wahrsagerin, ihr ganzes Leben lang und doch geht jeder auf seine eigene Art und Weise damit um. Hier stellte sich mir als Leserin auch die Frage, wenn es ginge, würde ich mein Todesdatum wirklich wissen wollen? Mit jeder Lebensgeschichte von einem der vier Geschwister hat sich meine Meinung geändert. Wenn man es weiß, lebt man intensiver, hemmungsloser oder bewusster? Tut man Dinge schneller die man gerne tun möchte, die man aber immer für später aufgeschoben hat? Interessieren einen noch Meinungen der Anderen, oder denkt man sich, egal, ich mache was und wie ich es will? Wenn man es nicht weiß, lebt man einfach weiter wie bisher, von Tag zu Tag, lässt sich durch den stressigen Alltag treiben, traut sich nicht Dinge zu tun oder Reisen zu unternehmen, die man sich vielleicht jetzt nicht leisten kann, für die es aber irgendwann zu spät sein wird. Wie intensiv sich die verschiedenen Charaktere mit ihrem jeweiligen Datum vor Augen auseinandersetzen, hat die Autorin Chloe Benjamin sehr gut umgesetzt. Ihr Schreibstil macht zwar manchmal Sprünge, die ich erst nach den folgenden 4-5 Sätzen einordnen konnte, aber trotz allem hat sie die Sichtweise auf manche Dinge mir als Leserin sehr nahe gebracht. Am meisten berührt hat mich der weitere Werdegang des jüngsten Bruders Simon, der seinen Geschwistern nie verraten hat, wann es ihn treffen könnte. Er war damals viel zu jung um die Tragweite der Aussagen zu erfassen, doch er hat sie nie vergessen oder verdrängen können.

Ein außergewöhnlicher Roman mit einem sehr nachdenklich stimmenden Plot. Nach der letzten Seite klappte ich das Buch zu und die Gedanken kreisten weiter, wie ich damit umgehen würde. Meine Erkenntnis, ich kann es nicht sagen, da ich wahrscheinlich nie daran glauben könnte, wenn es mir gesagt werden würde, aber Gedanken macht man sich trotzdem, wenn der besagte Tag immer näher rückt. Man soll nie, nie sagen.