Die Prophezeiung

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Die vier Geschwister Simon, Klara, Varya und Daniel leben mit ihren Eltern in New York. Im Sommer 1969 kommt Daniel auf die Idee zu einer Wahrsagerin zu gehen und seine Geschwister stimmen zu. Sie ahnen nicht, dass diese Begegnung ihr weiteres Leben bestimmen wird, denn die Wahrsagerin sagt jedem von ihnen den Tag voraus, an dem sie sterben werden. Obwohl sie eigentlich nicht daran glauben wollen, kann keiner der vier das Datum vergessen und sie alle gehen unterschiedlich damit um.

Das Buch ist in vier Abschnitte unterteilt, die sich am jeweiligen Todestag der vier Geschwister orientieren. In jedem Abschnitt wird der Lebensweg des einzelnen erzählt, der sehr unterschiedlich verläuft. Simon und Klara verlassen die Familie recht früh, um in San Francisco ihre Träume zu verwirklichen. Die anderen beiden Geschwister und ihre Mutter verzeihen ihnen dies nie so richtig. Für Simon beginnt in San Francisco ein ausschweifendes Leben voller Abenteuer und er kümmert sich nur noch wenig um seine Familie. Klara hingegen schafft es lange nicht, Fuß zu fassen und wird zusehend deprimierter. Auch nachdem sie es geschafft hat, ihren Traum von einer eigenen Zaubershow zu verwirklichen, kann sie sich nicht an ihrem Erfolg erfreuen und flüchtet sich in den Alkohol. Daniel hingegen ergreift einen sehr bodenständigen Beruf als Arzt und lebt das normalste Leben der vier. Doch am Ende wird auch er von der Prophezeiung eingeholt. Varya lebt ihr ganzes Leben sehr zurückgezogen, gestattet sich nichts und kümmert sich zunächst nur um ihre Mutter und anschließend um ihre Arbeit als Forschungsleiterin.

Alle vier reden sich ein, nicht an die Prophezeiung zu glauben und dennoch wird ihr Leben und auch ihr Tod unbewusst dadurch bestimmt. Als Leser fragt man sich, ob ihr Leben anders verlaufen wäre, und ob sie den Tod nicht selbst gewählt haben um die Prohezeiung zu erfüllen. Doch neben dieser Grundfrage werden auch noch viele andere Themen behandelt und die Prophezeiung selbst wird sogar etwas nebensächlich. Zum einen Simons Homosexualität und auch die Diskriminierung von Schwarzen, dann Klaras zunehmender Alkoholmissbrauch und die daraus resultierenden Wahnvorstellungen, Daniels Verhalten am Ende und seine moralischen Konflikte und schließlich Varyas vollkommenes Zurückziehen, bis sie am Ende feststellt, dass ein solches Leben nicht lebenswert ist. Benjamin schafft es dabei, den Lebensweg von allen vier Geschwistern nachvollziehbar zu schildern und jede der Figuren ist mir auf ihre Art ans Herz gewachsen. Obwohl sich die vier im Laufe ihres Lebens voneinander entfernen, finden sie doch im Tod wieder zueinander und besinnen sich ihrer Zuneigung zueinander und bereuen vielleicht auch Dinge, die sie getan (oder nicht getan) haben.

"Die Unsterblichen" ist ein eher leises Buch, es wirkt viel mehr auf der tieferen ebene, die vielleicht nicht gleich ersichtlich ist. Dennoch ist es ein sehr berührendes Buch, wenn man sich auf die vier Geschwister und ihre sehr unterschiedlichen Lebenswege einlässt und bereit ist, sich ihnen zu öffnen. Es ist eine Familiengeschichte, aber auch so viel mehr. Es geht um die Suche nach sich selbst und nach jemandem, der einen durch's Leben begleitet, um Ängste vor der Zukunft aber auch vor der Vergangenheit. Die Sprache ist perfekt für das Buch fand ich, sehr flüssig und trotz einer wenig spannenden Handlung nicht langweilig. Benjamin schafft es Zaubertricks und Forschung über Lebensverlängerung miteinander zu verknüpfen ohne, dass es in irgendeiner Weise abwegig erscheint. Große Leseempfehlung für alle, die vielschichtige Bücher mögen, die vielleicht nicht alles auf den ersten Blick preisgeben.