Dramatische, bewegende Familiengeschichte um zwei Zwillingsschwestern aus Oberschlesien

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kleinervampir Avatar

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Buchinhalt:

Nach dem Tod ihrer Großmutter Änne fallen Laura und ihrer Mutter Ellen Ungereimtheiten in Ännes Vergangenheit auf. Änne stammte von einem Gut in Schlesien und hatte zu Lebzeiten so gut wie nie über das, was im Krieg vorgefallen ist gesprochen. Kurzerhand fährt Laura in die alte Heimat und sucht den Hof der Familie, sollte es diesen überhaupt noch geben. In Schlesien, im heutigen Polen, rollt sie nach und nach die Familiengeschichte ihrer Großmutter auf und kommt hinter das große, immer verschwiegene Geheimnis....


Persönlicher Eindruck:

Was für eine dramatische, vielschichtige Familiengeschichte! Auf zwei getrennten Zeitlinien erzählt Autorin Georg von Schlesien, der Kindheit der Zwillingsschwestern Änne und Luise, vom Krieg, der Vertreibung und dem Leben auf dem Gut Pappelhof, auf dem Änne einst aufwuchs. Bildgewaltig und mitreißend breitet sich vor dem Leser die Welt um 1945 aus, mit allen Schrecken aber auch einer behüteten Kindheit und Jugend.

Änne und Luise sind Zwillingsschwestern uns sehr aufeinander geprägt. Keine kann ohne die andere – doch bezogen auf Änne ist deren Beziehung zu ihrer Schwestern schon fast wahnhaft und vereinnahmend. Änne gönnt keinem die gute Luft, der sich länger mit Luise beschäftigt und geht dabei sprichwörtlich über Leichen, um ihre Schwester immer wieder ganz für sich zu haben. Als rauskommt, dass Änne an Epilepsie leidet und immer wieder Anfälle hat, versteckt sie die Familie in einer Dachkammer vor den Nazis. Als letztendlich Zwangsarbeiter auf den Pappelhof gebracht werden, die die in den Krieg gezogenen Männer des Guts ersetzen sollen, lernt Luise Karl kennen – und lieben. Was dann geschieht, verrate ich nicht – versucht Änne doch alles, um zu verhindern, dass Luise sie verlässt.

Einmal mit Lesen angefangen wird man diesen Roman schwerlich wieder beiseite legen können. Beide Zeitlinien, die Gegenwart und die Vergangenheit, lassen den Leser förmlich an der Geschichte kleben. Auch wenn ich mir recht früh denken konnte, was das eigentliche Geheimnis der Frau ist, die Laura als ihre Großmutter Änne kannte, waren genug Wendungen im Plot vorhanden, um den Spannungsbogen hoch zu halten.

Zwei Dinge haben mir weniger gefallen. Zum einen der Beginn: es scheint in letzter Zeit üblich, dass der Tod naher Familienangehöriger als Aufhänger für einen Roman genutzt wird und das mag ich nicht. Klar, so fällt der Einstieg in die Handlung leicht, aber wenn ich einen Roman lese, möchte ich nicht auf der ersten Seite schon Leid und Tod als ständigen Begleiter. Zum anderen ein Ereignis am Ende der Geschichte, das ich nicht konkret nennen möchte, um anderen die Spannung nicht zu nehmen. So viel kann ich aber sagen: jedem – auch Laura – müsste es auffallen, ob man mit einem Mann oder einer Frau spricht und ob das Gegenüber nun das eine ist oder das andere. So, wie im Buch dargestellt, fand ich das relativ unglaubwürdig, auch wenn das Ganze als bitterböse Pointe gedacht ist und letztendlich der Auflösung vieler Fragen dient.

Alles in allem kann ich aber sagen: dieser historische Roman über die Kriegszeit und das Schicksal der Menschen in den ehemaligen Ostgebieten hat mich begeistert, wie schon lange keiner mehr.

Eine Leseempfehlung und ein Highlight, das auch kleine Schwächen nicht sonderlich trüben können!