Pageturner vom Schweigen der Vergangenheit und der Suche nach Wahrheit

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„Die Verlorene“ war für mich das erste Buch von Miriam Georg und gleichzeitig eines, das mich restlos begeistert und emotional sehr bewegt hat. Schon nach wenigen Seiten habe ich gespürt, warum so viele Leserinnen von dieser Autorin schwärmen.
Die Geschichte entfaltet sich auf zwei Zeitebenen. In der Gegenwart stößt Laura nach dem Tod ihrer Großmutter Änne auf Ungereimtheiten in deren Leben. Gemeinsam mit ihrer Mutter begibt sie sich nach Schlesien, um Antworten zu finden. Parallel dazu begleitet man in Rückblenden die Familie Thomke in den 1940er Jahren auf dem Pappelhof, ein Ort voller Leben, Arbeit und auch Geborgenheit, bis der Krieg alles verändert. Besonders im Fokus stehen die Zwillingsschwestern Luise und Änne, deren innige, aber auch konfliktreiche Beziehung mich während des Lesens tief beeindruckt hat.
Ich habe bereits einige historische Romane rund um den Zweiten Weltkrieg gelesen, aber „Die Verlorene“ hat mich auf besondere Weise berührt. Die Autorin schafft es, historische Fakten, persönliche Schicksale und emotionale Familienkonflikte so kunstvoll miteinander zu verweben, dass man vollkommen in der Geschichte versinkt. Miriam Georg schreibt atmosphärisch und gleichzeitig voller Spannung, ein wendungsreicher Plot tut seinen Anteil dazu. Mehr als einmal habe ich mir vorgenommen „nur noch ein Kapitel“ zu lesen und konnte das Buch dann doch nicht aus der Hand legen.
Besonders stark fand ich, wie klar die Traumata dieser Zeit spürbar werden. Das Schweigen der Kriegsgeneration, die ungesagten Dinge, die über Jahrzehnte hinweg Schatten werfen. Das kenne ich auch aus meiner eigenen Familie. Vieles wurde nie erzählt, manches bleibt bis heute im Dunkeln. Umso intensiver hat mich dieser Roman getroffen, weil er zeigt, wie wichtig es ist, Fragen zu stellen, solange es noch möglich ist.
Die Figuren sind für mich keine bloßen Romancharaktere geblieben, sie fühlten sich während des Lesens real an. Ob Änne, deren Entscheidungen man nicht immer nachvollziehen kann, Luise, die mir ans Herz gewachsen ist, oder Laura, die stellvertretend für viele Enkelgenerationen auf Spurensuche geht, jede Figur hat sich fest in mein Gedächtnis eingebrannt. Besonders das Verhältnis der Schwestern, geprägt von Liebe, Rivalität und Tragik, hat mich nicht mehr losgelassen.
Die Beschreibungen des Pappelhofs und der Natur sind so lebendig, dass ich die Pappeln rauschen, die Pferde wiehern und das Summen der Mücken in den Sommerabenden förmlich hören konnte. Das macht den Kontrast umso härter, wenn Zerstörung, Flucht und Verlust hereinbrechen.
Am Ende fügen sich die beiden Zeitebenen zu einem Ganzen zusammen, das mich sprachlos zurückgelassen hat. Ich habe gelitten, gehofft, geweint und am Ende das Buch traurig, aber gleichzeitig dankbar zugeschlagen.
Für mich ist „Die Verlorene“ ein absolutes Lesehighlight, das noch lange nachklingt. Miriam Georg hat mich nicht nur bestens unterhalten, sondern mir auch viele Denkanstöße gegeben. Wer Familiengeschichten mit Tiefgang liebt, wer historische Romane sucht, die unter die Haut gehen, und wer Bücher mag, die einen nicht loslassen, für den ist dieses Werk ein Muss.
Ich bin froh, Miriam Georgs Bücher für mich entdeckt zu haben und ich weiß jetzt schon, dass es bestimmt nicht mein letztes gewesen sein wird.