Sehr spannender Serien-Auftakt!

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sleepwalker1303 Avatar

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Zwei Jahre hat Simon Beckett seine Leserschaft nach „Die ewig Toten“ warten lassen. Jetzt hat er endlich nachgelegt. „Die Verlorenen“ heißt sein neuestes Werk und er stellt auch mit Jonah Colley einen neuen Protagonisten vor.
Jonah Colley ist Scharfschütze und arbeitet bei der Londoner Polizei. Als ihn sein ehemaliger bester Freund telefonisch um Hilfe bittet, zögert er kurz, dann siegt aber seine Loyalität und er fährt zum Slaughter Kay, einer eher heruntergekommenen Gegend Londons. Als er vier in Plastikfolie eingewickelte und mit Brandkalk bedeckte Leichen findet, beginnt für ihn ein Alptraum – und für den Leser eine wilde und spannende Achterbahnfahrt durch Ermittlungen und private Probleme. Und das Buch kommt wirklich einer Achterbahn gleich: so viele Verdächtigungen, so viele Wendungen und so viel Hin und Her und Auf und Ab. Ein atemberaubend schneller Thriller eben.
Bei Beckett passt halt einfach alles: Setting, Wortwahl und auch die Geschichte ist überwiegend stimmig. Sprachlich ist das Buch eher schlicht, dafür sehr flüssig zu lesen. Schon der Anfang fesselte mich enorm. Die bedrückende nächtliche Stimmung, der Name „Slaughter Quay“, als Schlachterkai und dann noch die Menschen in Plastikfolien-Kokons, von denen einer noch am Leben ist – ich konnte das Buch schlicht nicht mehr aus der Hand legen. Der Spannungsbogen ist konstant hoch, nur wenige Nebenhandlungen erlauben dem Lese-Publikum kurze (aber dringend benötigte) Atempausen. Denn Simon Beckett spart in üblicher Manier nicht mit grausamen Beschreibungen und spickt alles mit ein bisschen Privatleben und einem in der Vergangenheit liegenden Schicksalsschlag, der seinen Protagonisten nachhaltig geprägt hat.
Mit Jonah Colley hat der Autor einen interessanten und sehr vielschichtigen, impulsiven und nicht immer sympathischen Charakter eingeführt, der die Geschichte absolut beherrscht. Neben ihm gibt es zwar eine Menge anderer Figuren, aber niemand ist so dominant wie er. Er ist in der Hauptsache ein getriebener Mensch. Jonahs Aktionen sind nicht immer logisch, meistens eher impulsiv und unüberlegt, oft aber menschlich nachvollziehbar. Getrieben wird er von der Frage, was mit seinem vor zehn Jahren verschwundenen Sohn Theo passiert ist, dessen Verlust nicht nur seine Ehe vollends zerstört, sondern auch sein Leben nachhaltig verändert hat. Seine Schuldgefühle lähmen ihn immer noch, sein Leben dreht sich fast nur um seinen Beruf und die immer wiederkehrende Frage nach dem Schicksal des Vierjährigen. So verläuft ein Teil der Geschichte in zwei Zeit-Ebenen, dem Hier und Jetzt und der Zeit vor zehn Jahren.
Gut, der Schluss ist eventuell ein bisschen sehr konstruiert und auch zwischendrin ist nicht alles ganz logisch und es sind ein oder zwei Fehler in der Übersetzung, aber alles in allem fand ich das Buch einen echten Pageturner und mit seinen rund 300 Seiten (mein E-Book hat tatsächlich nur 308 und keine über 400 Seiten) fast ein bisschen kurz. Von mir daher für einen durchgehend spannenden, fesselnden und schlicht hervorragenden Thriller klare fünf Sterne. Wer David Hunter mag, wird Jonah Colley vermutlich ebenfalls mögen.