Die Grenzen von Recht und Schuld

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gormflath Avatar

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Strafverteidiger Frank Petersen glaubt an die Kraft des Gesetzes und ist von der Objektivität seiner Urteile überzeugt. Wegen eines umstrittenen Urteils gerät er heftig in die Kritik und sein Leben gerät völlig aus den Fugen, denn sowohl seine Frau als auch sein Sohn wenden sich von ihm ab. Seine Frau hält ihm vor, er sei voreingenommen, lasse sich von Vorurteilen leiten und sei selbstherrlich, was für den leidenschaftlichen Strafrichter einem vernichtenden Urteil gleichkommt. Seine Integrität als Richter, als Ehemann und als Vater steht in Frage, und Petersen sieht nur einen Ausweg: Er muss sich selbst mit Fragen konfrontieren, die er sich nie zu stellen getraut hat…
Thieles anspruchsvoller Unterhaltungsroman wird von zwei wahren und umstrittenen Rechtsfällen inspiriert, dem Fall Marianne Bachmeier, die 1981 im Landgericht Lübeck Selbstjustiz beging und den Mörder ihrer siebenjährigen Tochter erschoss sowie dem Fall Amadeu Antonio Kiowa, eines der ersten bekannten Todesopfer rechtsextremer Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland seit der Wiedervereinigung. Als Corinna Maier – angelehnt an Marianne Bachmeier, aus der Haft entlassen wird, heftet sich Petersen an ihre Fersen, um für sich und seine Familie die Grenzen zwischen Schuld und Gerechtigkeit neu auszuloten.
Während Autor und Rechtsanwalt Markus Thiele in seinem ersten Roman „Echo des Schweigens“ ein spannendes Lesevergnügen für Fans von Ferdinand von Schirach mit sehr überzeugenden Charakteren gelang, bleiben seine Protagonisten – hauptsächlich die Ehefrau sowie sein Sohn, der mit einer Muslimin liiert ist, diesmal etwas vage. Ungewöhnlich und eher befremdlich fand ich die Situation, dass Petersen, der bekannte Strafverteidiger ausgerechnet eine Frau um Hilfe bittet, der er vor wenigen Jahren selbst im Gerichtssaal gegenüber saß. Auch sprachlos hat mich der erste Roman wesentlich mehr überzeugt – ich bin trotzdem sehr gespannt, welchem Fall sich der Autor als nächstes widmet.