Recht, Gesetz, Schuld und Gewissen

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Strafprozess. Richter. Staatsanwalt. Verteidiger. Angeklagter. Nebenklägerin. Letzter Prozesstag. Der Angeklagte hat das letzte Wort, bevor das Urteil gesprochen wird. Plötzlich zieht die Nebenklägerin eine Waffe aus ihrer Tasche und erschießt den Angeklagten. Feuert acht Projektile auf ihn ab. Richtet ihn regelrecht hin. Danach lässt sie sich widerstandslos festnehmen. Warum? Als Jahre später Frank Petersen, der Strafrichter von damals, in seinem Leben vor einem Scherbenhaufen steht, muss er sich damit auseinandersetzen, wo Schuld beginnt und Gerechtigkeit endet. Vor allem aber muss er sich die Frage stellen, ob er weiß, wo die Wahrheit liegt.

In Zeitsprüngen zwischen jetzt und damals entfaltet sich die Geschichte langsam mit großer Wucht. Nach dem dramatischen Vorfall im Gerichtssaal erfahren wir nicht sofort, warum der Angeklagte erschossen wurde und was danach passiert ist. In Rückblenden schildert Markus Thiele uns das Leben der Nebenklägerin, zu deren Figur er vom Rechtsfall Marianne Bachmeier inspiriert worden ist. Gleichzeitig folgen wir im hier und jetzt Frank Petersen, der sich von seiner Frau vorwerfen lassen muss, er sei selbstherrlich und voller Vorurteile, bevor sie ihn verlässt. Frank Petersen sieht seine Integrität als Richter und Ehemann in Frage gestellt.

Worte wie Messer, Sätze wie Fallbeile, eine Sprache, die mich begeistert hat. Ganz fein zeichnet der Autor die Charaktere, deren Zerrissenheit, die Angst und die Wut. Es geht um Vorurteile, Fremdenhass und Selbstjustiz; die Grenzen von Recht und Schuld verwischen, die Suche nach der Wahrheit ist keine einfache.

„Er wollte sich erklären, doch ihm fehlten die Worte. Aus der Unzahl der Wörter und Sätze, die wie ein verknotetes Wollknäuel in seinem Kopf hingen, konnte er keinen klaren Gedanken stricken.“ (Seite 186)

Inspiriert von zwei der spektakulärsten Rechtsfälle der Nachkriegszeit, dem Fall Marianne Bachmeier und dem Fall Amadeu Antonio Kiowa, verbindet Markus Thiele Fiktion und Realität auf wunderbare Weise und schenkt uns ein spannendes und interessantes Werk, das aktueller nicht sein könnte. Danke dafür.

Vor lauter Begeisterung hätte ich fast vergessen, mein Fazit aufzuschreiben. Ich vergebe 5 Sterne mit Sternchen und eine unbedingte Leseempfehlung.