Ein packendes Psychogramm

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anana Avatar

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„Jeder ist dem eigenen Leiden die Nächste.“

Johanna, eine erfolgreiche Malerin, kehrt nach über dreißig Jahren aus den USA in ihre Heimat Norwegen zurück. Ihre Auswanderung war eine abrupte Flucht vor den familiären Zwängen und Erwartungen, einem auferlegten Jurastudium und einer freudlosen Ehe. Und als danach die Kunstwerke „Mutter und Kind I“ und „Mutter und Kind II“ ausgestellt wurden, in den Augen der Mutter eine öffentliche Demütigung und Anklage, riss das Band zur Familie endgültig. Obwohl Johanna also zu ihrer Mutter schon lange keinen Kontakt mehr hat und sie seit ihrer Rückkehr von Erinnerungen an ihre Kindheit heimgesucht wird, sucht sie wieder die Nähe ihrer Mutter.

Sehr eindrucksvoll und wahrhaftig zeigt Vigdis Hjorth die Verwerfungen einer Mutter-Tochter-Beziehung auf, doch konsequent nur aus Johannas Perspektive. Dabei gelingt es ihr aufzuzeigen, dass man sich nur schwer, vielleicht auch gar nicht, von seiner Vergangenheit abnabeln und sich kaum von der Sehnsucht nach dem Verstanden werden lösen kann. Mit jeder Seite wird der Leser zudem tiefer in den Bann von Johannes Gedankenwelt gezogen. Man leidet mit ihr mit, wünscht ihr so sehr die Annäherung zur Mutter und verfolgt dabei gebannt, wie sich die Geschehnisse unaufhaltbar zuspitzen.

Dabei wirft der Roman ein Schlaglicht auf die Komplexität zerrütteter familiärer Beziehungen, die Tiefe von Wunden, die uns nur nahestehende Menschen zufügen können, und die daraus resultierende Nähe eines jederzeitigen Kontrollverlusts.
All dies wird auf pointierte und sehr kluge Art und Weise erzählt.

Eine Leseempfehlung.