Wunden der Vergangenheit

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
vanessa_91 Avatar

Von

Meine Meinung und Inhalt

" Ich schrieb ihnen damals einen langen Brief und erklärte, warum ich getan hatte, was ich getan hatte, ich schüttete ihnen mein Herz in einem Brief aus, aber die kurze Antwort, die ich darauf bekam, schien, als sei dieser Brief vorher niemals geschrieben worden. Eine kurze, stumpfe Antwort mit Drohungen der Verbannung, aber der Erklärung, dass mir, wenn ich »zur Vernunft« käme und sofort die Heimreise anträte, vielleicht verziehen werde." (ZITAT)


Johanna ist keine gute Tochter. Um sich zu retten, hat sie die Familie verlassen. Jetzt, dreißig Jahre später, ist sie wieder zu Hause. Sie sucht Nähe, sie will den Kontakt zur Mutter erzwingen, doch die verweigert sich kühl jeder Annäherung. Heimgesucht von den Erinnerungen an die Kindheit zieht Johanna sich in eine einsame Hütte am Fjord zurück, wo es an ihr ist, die Verhältnisse zu ordnen und sich aus den familiären Zwängen zu befreien.


"Das tat mir weh, ebenso dass sie ehrlich zu glauben schienen, solche Worthülsen würden mich dazu bringen, mein neues Leben aufzuge-
ben, zurückzukehren zu emotionaler Erpressung, mich ihrer Form und ihren Erwartungen anzupassen, was für mich einer Selbstverstümmelung gleichkam." (ZITAT)


In knappen Sequenzen mit manchmal nur einem oder wenigen kurzen Sätzen pro Seite folgen wir der Ich-Erzählerin auf der Suche nach Erlösung. Parallelen zur grandiosen Natur rund um die Hütte drängen sich auf, welche ihr gewählter Flucht- und Ruhepunkt ist.


"Das Verhältnis eines Werkes zur Wirklichkeit ist uninteressant, das Verhältnis eines Werkes zur Wahrheit ist entscheidend, der Wahrheitswert eines Werkes liegt nicht in seinem Verhältnis zur Wirklichkeit, sondern in seiner Wirkung auf die, die es betrachten. " (ZITAT)



"Die Wahrheiten meiner Mutter" konnte mich sehr berühren. Das Buch über den krampfhaften und verzweifelten Versuch der Wiederannäherung einer Tochter an ihre Mutter hat mich gleichermaßen gefesselt und erschüttert. Wie trauert man um jemanden, mit den man auch Schmerz verbindet? Die Autorin schreibt eindringlich, intensiv und berührend. Der Roman hallt nach. Leseempfehlung meinerseits.


Vigdis Hjorth, 1959 in Oslo geboren, ist eine der meistrezipierten Gegenwartsautorinnen Norwegens. Sie ist vielfache Bestsellerautorin, wurde für ihr Werk unter anderem mit dem norwegischen Kritikerprisen und dem Bokhandlerprisen ausgezeichnet und war für den Literaturpreis des Nordischen Rates, den National Book Award sowie den International Booker Prize nominiert. Zuletzt erschien bei S. FISCHER »Die Wahrheiten meiner Mutter«. Nach Stationen in Kopenhagen, Bergen, in der Schweiz und in Frankreich lebt Vigdis Hjorth heute in Oslo.