Wohlige Schauer und muckeliger Voyeurismus

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rosalie st. Avatar

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Als ich das Cover sah und den Titel las, war ich nicht sicher, ob es sich nicht um ein Kinderbuch handelt – beides meines Erachtens nicht optimal ausgewählt. Aber überzeugen soll ja was anderes: der Inhalt.
Ich habe Alexa Hennig von Lange erst spät für mich entdeckt, nämlich erst mit ihrem letzten Roman "Kampfsterne" – den ich mit viel Skepsis und Vorurteilen gegenüber der Autorin zu Lesen anfing. Vieles an "Weihnachtsgeschwister" erinnert an "Kampfsterne": Schon nach wenigen Seiten wechseln wir von der Perspektive einer Figur zur nächsten – anders als noch im letzten Roman, wo dies durch einzelne Kapitel gekennzeichnet wurde, sind es jetzt fließende Übergänge. Damit ist Hennig noch näher am modernen, multiperspektivischen, filmisch-seriellen Erzählen. Das ist modern und erfrischend und funktioniert meines Erachtens erstaunlich gut.
Hennigs Figuren sind auch in dieser Geschichte keine fröhlichen, unbekümmerten Charaktere, sondern oftmals frustriert, neidisch, hilflos.
Es hat was voyeuristisches in die Abgründe dieser Existenzen zu blicken – fast etwas muckelig voyeuristisches, kann man sich auf diese Weise distanziert über das verkorkste Leben von anderen gruseln, ohne glauben zu müssen, dass das alles etwas mit einem selber zu tun haben könnte. Es ist bestimmt nicht besonders ruhmvoll, daraus ein Lesevergnügen zu ziehen – andererseits findet man sich dadurch plötzlich auf Augenhöhe mit den ProtagonistInnen des Romans wieder – ein cleverer Schachzug von Hennig.
Wer gerne einen Blick in die seelischen Abgründe und hinter die engherzigen Befindlichkeiten der Generation um die Vierzig blickt, ist hier genau richtig. Ganz nach dem Motto: Die Hölle, das sind die anderen!