Familienweihnacht – mal ganz ungeschönt!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
wortschätzchen Avatar

Von

Alle Jahre wieder – treffen sich die Geschwister Elisabeth, Tamara und Ingmar mit Partnern und Kindern bei ihren Eltern zum Weihnachtsfest. Und alle Jahre wieder kommt es zum Eklat. Anlässe dazu lassen sich immer finden, und seien sie noch so banal. Doch die Eltern Schwedthelm haben vorgesorgt …!

Es ist wirklich anstrengend, die Zickereien, Eifersüchteleien, Machtkämpfe, Rangkämpfe und Verurteilungen, die kreuz und quer durch die Gegend fliegen, zu ertragen. Dennoch – genau diese Anspannungen kenne ich und mal ehrlich, andere auch. Vielleicht nicht ganz so heftig, aber im Ansatz auf alle Fälle. Und ja, auch bei uns ist Weihnachten immer eine verminte Zone. Mal kommt man heil durch die Minenfelder, mal erwischt man mit jedem Tritt eine Tretmine. Die Geschwister bemühen sich – der eine mehr, der andere weniger – dieses Jahr friedliche Feiertage zu erleben, aber natürlich klappt das nicht wirklich. Mir taten die „alten Eltern“ unbeschreiblich leid. Und ich habe mich über so ziemlich jede Figur in der Geschichte mehr oder weniger geärgert.

Dennoch – es war schon aufrüttelnd, zu sehen, wie die drei doch alle die Verbundenheit aus der Kindheit vermissen und nicht auf die Reihe bekommen, sich gegenseitig so sein zu lassen, wie sie sind, miteinander zu reden, Familie zu sein. Statt an sich selbst haben sie an anderen gearbeitet. Alle. Elisabeth ist das Mimöschen, das bei der kleinsten Kritik sofort in ihr Schneckenhaus verschwindet und immer und ewig nur Angst hat. Tamara ist die Amazone, die alles gleich als böse gemeint auslegt (eine sehr weit verbreitete Eigenschaft in unseren Tagen – da kann und muss sich so ziemlich jeder einmal an die Nase fassen) und sofort zum Angriff übergeht. Ingmar ist ein Spießer, der den Mund aber nicht aufbekommt. Quasi im Kopf wie Tamara, in den Taten und Worten wie Elisabeth. Dass es – angefeuert durch den „Anhang“ – da krachen muss, ist vorprogrammiert. Doch was könnte man dagegen tun? Die Autorin hat da eine Idee und die Eltern führen sie aus …!

Die Entwicklung der Geschichte ist stimmig und klar. Allerdings ist dies wieder einmal eins der Bücher, bei denen der Klappentext vorweggreift. Das kann ich so gar nicht leiden. Die Gedanken, Gefühle, Wünsche der Geschwister bekommt der Leser direkt mit. Das ist manchmal mehr als ergreifend. Wie oft wollte ich Elisabeth fragen, wann sie sich denn endlich mal zu wehren gedenkt und Tamara ins Gesicht sagen, dass sie eine dumme Nuss ist? Ja, genau – deeskalierend hätte ich da leider „vor Ort“ auch nicht wirken können. Das gebe ich gern zu. Und genau deshalb finde ich das Buch auch so toll. Es legt den Finger beim Leser ganz fest auf die Wunde!

Der Stil liest sich flott weg, die Sprache ist mal bissig, mal emotional, mal still, mal laut – das ist der Autorin wunderbar gelungen. Man kann das Büchlein an einem Tag weglesen. Weihnachten mal ganz und gar nicht still und friedlich, sondern mit ganz vielen Krachern. Irgendwie das ehrlichste Weihnachtsbuch, das ich kenne!

Das Ende ist recht kurz und knapp ausgefallen. Aber bei dem langen Anlauf auch irgendwie kein Wunder. Außerdem ist alles gesagt und die Initialzündung musste einfach reichen. Hier wäre mehr dann tatsächlich zu viel gewesen. Für mich ist es also passend und in sich stimmig. Das Buch löst Emotionen aus und das ist schon mal echt genial! Meine anfängliche Ungeduld mit den Figuren und meine Abneigungen gegen die eine oder andere davon haben mich gleichzeitig auch stark an die Story gefesselt. Und weil ich trotz allen Ärgers auch schmunzeln und lachen konnte, bewerte ich das Büchlein mit den vollen fünf Sternen.