Atemlos durch die Wildnis

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Anfang 17. Jahrhundert in Nordamerika, ein Mädchen flieht aus einer Siedlung in die Wildnis. Wäre sie geblieben, wäre sie verhungert oder schlimmeres, denn sie ist nur eine Dienerin und eine Frau noch dazu. Da schein die Wildnis, auch wenn es Winter ist, die bessere Wahl. Die Schrecken, die dort auf sie lauern, nimmt sie lieber in Kauf als die Grausamkeit ihres eigenen Volkes. Sie rastet nur, wenn es sein muss; isst, was sie findet; hastet immer weiter in eine ungewisse Zukunft.
"Die weite Wildnis" von Lauren Groff hat mich tief beeindruckt. Es mein erstes Buch der Autorin und ich freue mich schon auf die Vorgänger und Nachfolger. Eigentlich lese ich nicht so gern historische Romane, aber dieser hat mich schon auf den ersten Seiten überzeugt. Das Mädchen, das zwar einen Namen hat, sich selbst aber so nennt, ist außergewöhnlich und hatte es nie leicht in ihrem kurzen Leben, nicht im Waisenhaus, nicht bei ihrer Dienstherrin und schon gar nicht in der neuen Welt. Vielleicht hat sie deshalb so ein enormes Durchhaltevermögen und eine beispiellose Stärke entwickelt. Sie musste all das Durchmachen, was Frauen widerfährt und noch viel mehr. Sie resümiert ihr Leben auf der Flucht. Durchbrochen werden ihre Gedanken durch ihre Eindrücke der Natur, die so nah geschildert werden, dass ich die Kälte spüren konnte.
Anfangs musste ich in die passend gewählte, altertümlich Sprache finden, aber danach flog ich durch die Seiten wie das Mädchen über die Weite - ebenso gehetzt wie sie, denn ich wollte wissen, was mit ihr passiert und hatte immer die Hoffnung, dass es gut ausgeht. Sprachlich ist es, wie ich erwartet hatte, on Point.
Es ist ein bemerkenswerter Roman, der absolut rund ist und auch wenn er ein trauriges Ende hat, hätte es kein anderes geben können.
Ich frage mich nur, warum das Mädchen diesen blöden Nagel nicht aus dem Stiefel gezogen hat…