So nah beieinander, so weit entfernt ...

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ilonar. Avatar

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Die Leseprobe verspricht ein heiteres Lesevergnügen auf einem anspruchsvollen und doch auch leicht zu lesenden Niveau. Das war mein Eindruck von den ersten Seiten dieses Buches und diese Erwartung hat sich voll erfüllt.

In der sardischen Hafenstadt Cagliari liegt mitten in der Marina ein alter Palazzo, der wahrlich bessere Zeiten gesehen hat und heute eine bunte, ja beinahe skurrile Hausgemeinschaft in seinen Mauern vereint. Eine der Bewohner/innen ist die Ich-Erzählerin des Buches, eine Studentin, die früh ihre Eltern verloren hat und bei der Großmutter aufgewachsen ist.
Neben ihr besteht die Hausgemeinschaft aus „dem Signore von oben“, einem alt gewordenen Geigenspieler, den seine Frau gerade sitzengelassen hat. Er bittet die Studentin um Hilfe bei der Suche nach einer geeigneten Haushälterin. Niemand käme da eher in Frage als die „Signora von unten“. Diese Signora, Anna, lebt in der düsteren früheren Dienstbotenwohnung gemeinsam mit ihrer Tochter. Sie geht verschiedenen Jobs nach, um sich und Nastacia durchzubringen, doch reicht es vorne und hinten nicht, zumal sie an einer Herzerkrankung leidet und daher wenig belastbar ist.
Nun also soll sie Mr. Johnson den Haushalt führen, diese Aussicht beflügelt Anna in eine ganz bestimmte Richtung. Anna entdeckt auf eine ganz neue Art, dass sie eine Frau ist und der Reigen kann beginnen ….
Alles könnte so schön sein, wenn nicht plötzlich eine Reihe anderer Figuren auftauchen und Verbindungen wieder aufnehmen, die längst zur Vergangenheit zählten. Und alles gerät aus den Fugen. Anna kann und will ihre Dienste für Mr. Johnson nicht mehr anbieten, auch jene nicht, die nur bei sehr großzügiger Auslegung zu den Pflichten einer Haushälterin gehören dürften. Überhaupt sind alle Beteiligten mehr oder minder ständig von ihren Gefühlen hin- und hergerissen, wodurch Missverständnisse eigentlich vorbestimmt sind.

All dies erzählt Milena Agus in einer Sprache, die sie uns als Leser in einer mit leichter Melancholie und gleichzeitiger Lebensfreude und an manchen Stellen mit einem leicht lakonischen Unterton darbietet. Gerade diese leichte und doch geistreiche Art zu erzählen macht die Spannung des Buches aus, auch wenn an echter Handlung gar nicht so viel passiert. Aber sind es nicht oft die zwischenmenschlichen Beobachtungen und Begegnungen, die ein Leben spannend machen. So ist habe ich es bei der Lektüre dieses Buches empfunden und empfehle es vollen Herzens weiter.