Wie Schiffbrüchige, die sich an einem Strand sammeln

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Alice nennt sich die junge Literaturstudentin, die als Single die mittlere Wohnung eines Palazzo bewohnt, der nicht gerade in Cagliaris bester Wohnlage steht. Die Aussicht aus dem oberen Stockwerk auf den sardischen Hafen muss atemberaubend sein. Alice darf die Ferienwohnung ihrer Tante im Haus nutzen; im prachtvollen oberen Geschoss residiert ein amerikansicher Geiger mit seiner italienischen Frau und im Dienstbotentrakt im Erdgeschoss sind Anna und ihre Tochter Natascha untergebracht. Mister Johnson wirkt leicht heruntergekommen, seit seine Frau vor längerer Zeit die eheliche Wohnung verlassen hat. Alice spielt Schicksal und vermittelt Anna eine Stelle als Haushälterin bei den Johnsons; denn sie weiß, dass Anna mit ihren Putzstellen kaum genug zum Leben verdient. Alices Rolle als Schicksalsgöttin setzt in dem Dreifamilienhaus unerwartete Verwerfungen in Gang. Beschleunigt wird diese Entwicklung durch das Auftauchen eines Sohnes und eines Enkels der Johnsons. Deutlich wird dem interessierten Leser nun, warum ein wohlhabender Amerikaner wie Johnson in einem eher ärmlichen Viertel wohnt und wie Alice selbst in ihre unglückliche Rolle geraten ist, wie in einer Ersatzfamilie Regie im Leben anderer zu führen anstatt ihr eigenes Leben zu leben. Da die Johnsons und Anna über 60 Jahre alt sind, erhält hier eine sehr junge Frau ungewöhnliche Einblicke in das Leben älterer Menschen und der Ehen, die sie führen.

Auch wenn die filmreifen, schicksalhaften Verstrickungen zum Ende etwas übertrieben wirken, ist der Roman - dieses Mal als Hardcover - wieder ein "echter Milena Agus", der psychologisch geschickt mit einem Blick ins Private ein stimmungsvolles Sittengemälde der italienischen Insel liefert.