Nichts, das wir nicht schon lange wissen (sollten)

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krabbe077 Avatar

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Sara Weber ist Journalistin, Autorin und Digitalstrategin und hat u.a. für die Zeit, Süddeutsche Zeitung und den Spiegel geschrieben und war die Redaktionsleiterin von LinkedIn in Deutschland. Ihre Schwerpunkte waren dabei Arbeit, Digitalisierung und Wirtschaft. Mit Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten? legt sie nun ein Sachbuch vor, das sich ausdrücklich mit genau diesen Themen beschäftigt. 

Der Einstieg liest sich wie nahezu jedes andere Sachbuch, das seit 2020 das Licht der Welt erblickt. Pandemie, Krieg, Klima, Krise, Krise, Krise usw. Dem Leser wird einleitend in aller Ausführlichkeit erklärt, was gerade alles schiefläuft und wie kaputt die Welt ist. Darauf folgt Teil 1, der nochmal erklärt, was gerade alles schiefläuft und wie kaputt die Welt ist, sich dabei aber auf die Arbeitswelt bezieht. Alle sind erschöpft, keiner möchte mehr Arbeiten, Kündigungswellen und viele offene Stellen. Die Kapitelüberschriften geben den Inhalt dieses Buchteils schon ausreichend wieder. Dann folgt der ausführlichere zweite Teil, der Hauptteil des Buches, der sich verschiedene Aspekte der kaputten Arbeitswelt vornimmt. Die Kapitelüberschriften sind hier im Konjunktiv gestellte Fragen nach dem Motto, was wäre, wenn alles besser wäre? Dabei geht es darum, weniger und flexibler zu arbeiten, Gleichberechtigung, Diversität und Inklusion, bessere Selbstorganisation von Arbeitnehmer:innnen und selbstverständlich auch um das Klima. In Klappentext und Einleitung kündigt die Autorin Lösungen an, Wege, die aus dieser kaputten in eine bessere, verträglichere Arbeitswelt führen können. Leider bleibt sie diese schuldig. Das Buch ist eine mehr oder weniger thematisch geordnete Auflistung von Problemen, mit anschließenden eher kurz gehaltenen Idealvorstellungen, wie doch alles besser sein könnte. Wege dorthin sucht man aber vergeblich. Zwar gibt es auch das ein oder andere Beispiel von Best Practice, insgesamt hat man aber eher das Gefühl beim Lesen von der Worst Practice, wie sie gegenwärtig betrieben wird, erdrückt zu werden. Zudem ist die Struktur teilweise nicht nachvollziehbar, es wirkt, als sei das Buch unter enormem Zeitdruck entstanden. Die Informationen sind durchaus gut recherchiert und sehr aktuell. Eine ausführliche Darstellung, wie kaputt unsere Arbeitswelt ist, ohne die immer wieder in Aussicht gestellten Auswege mitzuliefern, halte ich jedoch für wenig konstruktiv und eher redundant. Sara Weber liefert hier keine neuen Erkenntnisse, zahlreiche Autor:innen vor ihr haben über den ein oder anderen Aspekt ihres Buches schon in aller Ausführlichkeit berichtet. Ein Punkt, der mich beim Lesen sogar regelrecht in Rage versetzte ist, dass im Themenkomplex Klima an die Eigenverantwortlichkeit jedes Einzelnen – in diesem Fall der Arbeitnehmer:innen – appelliert wird. Ist das nicht im Interesse genau derjenigen Personen, die die Zügel doch selbst in der Hand halten? Damit redet die Autorin genau jenen nach dem Mund, die diese Argumentation überhaupt erst in die Welt getragen haben. Klar können alle ihren persönlichen Beitrag leisten, aber können wir dann auch bitte ganz deutlich die individuellen Einflussmöglichkeiten von Arbeitnehmer:innen in Relation setzen, zu jenen von Arbeitgeber:innen, Politiker:innen und anderen Personen in Machtpositionen? 

Ich befinde mich derzeit selbst in einer Phase der beruflichen Neuausrichtung und war daher aus persönlichen Gründen sehr gespannt auf dieses Buch. Leider sehe ich nach der Lektüre den Mehrwert dieser Veröffentlichung nicht mehr. Keinerlei neue Erkenntnisse, keine konkreten Handlungsvorschläge. Möglicherweise hätte das Buch vor zehn Jahren überzeugt und Problemzonen der Arbeitswelt offengelegt. So aber ist alles, was nach der Lektüre bleibt, schlechte Laune.