Nichts für leichte Stunden

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verenam Avatar

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Nova ist von Geburt an blind, aber sie hat ihr alltägliches Leben perfekt im Griff, kennt Wege und Wohnung auswendig, spricht fünf Sprachen fließend und hört aus jeder dieser Sprachen heraus, wenn Menschen sie anlügen. Doch als sie von einer Methode erfährt, durch die sie höchst wahrscheinlich sehen kann, entschließt sie sich den Schritt in die Welt der Sehenden zu wagen.

Kate wiederum lebt mit ihrem Mann zusammen, in einer kleinen Wohnung in London. Auch sie scheint ein schönes Leben zu führen. Das erste gemeinsame Eigenheim ist so gut wie fertiggestellt, so dass dem perfekten Familienleben nichts mehr im Wege sollte. Doch ihr Leben ist nicht so vollkommen, wie man vielleicht meinen könnte. Denn nach einem folgenreichen Streit findet sich Kate in einer Klinik wieder, wo sie das erste Mal auf Nova trifft. Beide fühlen sich schnell zueinander hingezogen und beschließen nach einiger Zeit gemeinsam, der persönlichen Dunkelheit zu entfliehen.

Zu Beginn des Buches lernen wir beide Frauen abwechselnd besser kennen und bereits da scheint sich abzuzeichnen, dass Kates Leben nicht wie geplant verläuft. Ihr Mann hat Geheimnisse vor ihr und verteidigt diese mit allen Mitteln. Kate kommt dabei unglaublich naiv rüber, denn während es dem Leser zunehmend unwohler wird, versucht sie weiterhin ihren Alltag zu leben, wie sie es gewohnt ist, was aber alles nur noch schlimmer macht. Novas Lernprozess und die Entwicklung ihrer Sehfähigkeit tritt dabei Stück für Stück in den Hintergrund. Zumindest kommt es einem so vor, denn Kates Erlebnisse scheinen so viel schwerer zu wiegen, als Novas anfängliche Verwirrung über geometrische Grundformen.

Die von ihr dafür aufgestellten Sehregeln, waren durchaus ein schönes Detail – hat man doch erkennen können, welchen Blickwinkel ehemals Blinde auf die Welt haben und dabei Dinge erkennen, die für Sehende ganz normal sind – aber zu dem eigentlichen Verlauf der Geschichte haben sie, in meinen Augen, nicht viel beigetragen. Gut dagegen fand ich, dass die wichtige Rolle, die Kate auf Novas Weg immer wieder spielt, des Öfteren zur Sprache kommt und man doch sehen kann, dass die Beziehung der Beiden nicht nur einseitig ist.

Im gesamten Verlauf des Buches springt die Geschichte oft über Monate hinweg und gibt so immer wieder nur einen Einblick in das aktuelle Leben der beiden Frauen, was angesichts des Zeitraums, in dem die Geschichte spielt, durchaus Sinn macht. Aber auch wenn sich in den übersprungenen Zeitabschnitten nicht viel getan haben mag, so hatte ich persönlich doch das Gefühl, etwas in der Entwicklung der Charaktere verpasst zu haben, da ich manche Reaktionen von ihnen nicht mehr ganz nachvollziehen konnte. Die ein oder andere interessante Begebenheit wird später auch gar nicht mehr aufgegriffen und man bleibt über den Ausgang im Ungewissen.

Das Ende des Romans ist dann nochmal sehr spannend aber auch beängstigend zugleich, allerdings für mein Leseempfinden etwas zu plötzlich. Die große Konfrontation sticht dabei aus der Erzählung hervor und mutet zudem leider etwas zu übertrieben heldenhaft an und ich habe mich gefragt, wo diese Wandlung auf einmal herkommt.

Beim Lesen des Klappentextes hatte ich anfänglich etwas ganz anderes erwartet und ich war sehr überrascht, als was sich der Roman dann herausgestellt hat. Joe Heap hat einen wunderbaren Erzählstil, der es mir sehr leicht gemacht hat, das Buch zu lesen und ich gar nicht gemerkt habe, wie ich die Seiten nur so verschlinge. Die Atmosphäre und die immerwährenden Gefühle kamen unglaublich gut rüber und ich musste des Öfteren schwer schlucken, denn für meinen Geschmack war es dadurch doch etwas zu bedrückend.
Er greift auch Themen auf, wie Gewalt, Herkunft und die Einstellung zu Homosexualität, die nicht oft in Romanen behandelt werden und wenn, dann sicher nicht in der Kombination und Tiefe, was mir ebenfalls zugesagt hat.

Alles in Allem ein schön geschriebener Roman, bei dem es einem, dank des Schreibtalents des Autors, richtig unheimlich werden kann.