Milieu-Studie mit Herz

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
lese-esel Avatar

Von

Die Frauen, die Charlotte Roth in ihrem Roman zeichnet, sind authentisch, (meistens) stark, unabhängig und kompromisslos. Letzteres ist etwas, dass die Heldin Nina besonders kennzeichnet.
Vom Theater fasziniert und beinahe schon besessen, sucht sie ihren Platz in Berlin Anfang der 1920er Jahre. Sie trifft auf eine von Männern beherrschte Welt, die so voller Vorurteile gegenüber der Leistung von Frauen sind, dass sie in Nina nur das Provinzmädchen sehen und außerstande sind, ihre Begabung zu erkennen. Geschweige denn, ihr eine Chance einzuräumen. Bis auf den einen, denjenigen, der sich in Nina verliebt.
Der Kampf der Heldin gegen die unfassbar herablassend handelnden Männer ist hart und Nina muss herbe Rückschläge einstecken.
Das Milieu, das Roth treffend und lebensnah beschreibt, lässt die gesellschaftliche Komponente des Romans hervorragend zu Tage treten. Auch wenn Berlin in allen Farben schillert und in der Nacht taghell beleuchtet ist, kann diese äußerliche Pracht die Armut der Menschen nicht verdecken. Hunger schleicht durch die Straßen Berlins, das Leben findet von einem auf den nächsten Tag statt, Obdachlosigkeit gehört zum Straßenbild und der Tod lauert an vielen Ecken.
Und doch ist es den Menschen dieser Geschichte gegeben, stark zu sein, dieses Leben zu ertragen und mit erhobenem Kopf die Zukunft anzupacken. Sie finden die Kraft, ihr Leben neu auszurichten und sich den eigenen Platz zu erkämpfen.
Wie die Autorin es schafft, ihre Protagonisten ihre Wege gehen zulassen, ist das spannende an der Lektüre, die auch den ein oder anderen Lacher bereit hält.
Charlotte Roths Schreibstil ist wunderbar zu lesen, gut flüssig und neugierig machend, was das nächste Kapitel bereit hält.
Am besten allerdings hat mir die Figur der Oma Hulda gefallen. Sie steht stellvertretend für all diejenigen Menschen, die es mit dem Leben aufnehmen, sich nicht unterkriegen lassen und vor allem nicht jammern. Die Protagonistin Nina ist eine wundervoll gelungene Figur, der die Natur diese nützlichen Eigenschaften mitgegeben hat. Jammern nützt nichts und niemand ändert sich, nur weil du wütend auf ihn bist.
Ein wunderschönes Fazit.