Wilde Zwanziger - wilde Frauen

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Berlin, 20er-Jahre. eine Zeit, über die Charlotte Roth immer wieder gerne schreibt und die ihr am Herzen liegt. Es war auch eine bewegte Zeit, eine Zeit, in der Frauen erstmals ihre Stärke spürten und versuchten, sich zu emanzipieren.
Für mich ist dieser erste Teil der Wintergarten-Trilogie ein Emanzipationsroman.
Nina von Veltheim, eine junge Frau aus der Uckermark, hat seit Kindheitstagen einen Traum - sie will Theater machen. Nicht als Schauspielerin, sie lebt und sieht Bühne, sie sprudelt vor Ideen über, sie will Regie führen und inszenieren.
Um ihr diesen Traum zu erfüllen, legt ihre finanziell nachkriegsgebeutelte Familie alles Geld zusammen, das sich auftreiben lässt und Nina geht nach Berlin.
In Berlin lernt sie zunächst, dass immer noch die Männer auch im Kulturbereich das Sagen haben und sie lernt Armut kennen. Bitterste Armut, die sie mit anderen Frauen teilt. Mit Jenny, einer akrobatischen Tänzerin mit geheimnisvoller Ausstrahlung, mit Sonia, einer begabten Zeichnerin und mit anderen Wunderweibern, die Nina zu einer Schaustellertruppe um sich sammelt.

Und sie lernt Anton kennen, arrivierter Schauspieler und Liebling der Frauen.

Diese Beziehung hat mich ein bisschen irritiert - Nina lässt von Anton, der sich ernsthaft in sie verliebt, nicht die kleinste Hilfe zu. Sie ist stur, die Szenen zwischen den beiden sind manchmal schon etwas grotesk und für mich nicht mehr nachvollziehbar. Zumal Nina ja von anderen Menschen durchaus Unterstützung annimmt, aber eben nicht von dem Mann, der sie liebt.

Bei Nina fehlt mir etwas die Entwicklung der Persönlichkeit. Jenny, Sonia, auch Carlo, Ninas Zwillingsbruder verändern subtil ihre Strukturen - nachvollziehbar und passend. Nina bleibt so, wie sie ist. Eingefroren bis nahezu zum Schluss. Das mag beabsichtigt gewesen sein, ich hätte es mir trotzdem etwas anders gewünscht.

Die Geschichte selbst ist temporeich, wie die Zwanziger eben waren, die Ereignissse haben sich damals ja überschlagen. Wie immer hat die Autorin ausgezeichnet recherchiert und ihre Story perfekt in den historischen Kontext gestellt.
Ich werde sicher die Folgeteile auch lesen, weil ich unbedingt wissen mächte, wie die Truppe die schrecklichen Zeiten, die noch kommen werden, übersteht.