Alte Frau mit langer Geschichte

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mammutkeks Avatar

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Nach ihrem Schlaganfall ist Maria Dolors nicht mehr nur auf Hilfe angewiesen, sondern sie fristet ihr Leben nun bei der jüngeren Tochter und deren Familie. Zumeist sitzt sie stumm, aber nicht taub im Wohnzimmer - von den Familienmitgliedern häufig als eine Art Möbelstück ignoriert. So z.B. von der Enkelin, die mit ihrem Freund lustvolle und laute Stunden in ihrem Zimmer verbringt, so vom Schwiegersohn, der ohne Skrupel mit der Geliebten telefoniert. Auf diese Weise erfährt Maria Dolors früher als andere anderen von den Problemen und Leidenschaften der Familie. Teilweise wird sie auch als eine Art Klagemauer missbraucht - wenn z.B. die Tochter ihr von den Annäherungen des Chefs erzählt, aber nicht erwartet, einen Ratschlag zu bekommen.

Gleichzeitig erinnert sich Maria Dolors an ihre lange Geschichte, an den ungeliebten, aber vermögenden Ehemann Eduard, an den Geliebten und Vater der älteren Tochter, den sie in hohem Alter wiedertrifft, an ihre Emanzipation von Mann und Familie, aber auch an Freundinnen und Bekannte.

Eingebettet ist alles in die Geschichte des Pullovers, den Maria Dolors für ihre Enkelin stricken möchte. Bei dieser Tätigkeit gerät sie immer wieder ins Grübeln und Philosphieren über die Vergangenheit. Inhaltlich ist der Roman allerdings überladen: Alle Tabus, die gebrochen werden könnten, werden gebrochen, alle Probleme, die in einer Familie vorkommen können, kommen auch vor, sei es Ehebruch, Magersucht, Liebeskummer, sexuelle Nötigung, Unzucht mit Minderjährigen, Homosexualität, Mord.

Insgesamt bietet "Die Woll-Lust der Maria Dolors" viele verschiedene Ansätze, interessante Geschichten, aber leider auch mit zunehmender Seitenzahl eine gewisse Langeweile. Es passiert nichts - und so außergewöhnlich und spannend ist die Historie der Maria Dolors nicht. Auch sprachlich ist der Roman von Blanca Busquets wenig überraschend und noch weniger abwechslungsreich. Und dass unsere Großmütter und Urgroßmütter auch keine Unschuldslämmer waren, ist wohl jedem klar, wäre er doch sonst vielleicht gar nicht auf der Welt.