Raffinierte Lebensgeschichte

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abakadabra Avatar

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Dolors ist Mitte achtzig und blickt auf ein langes, ereignisreiches Leben zurück. Nach einem Schlaganfall ist sie nicht mehr fähig zu reden und wohnt bei ihrer jüngsten Tochter Leonor. Deren Familie hält sie allerdings größtenteils nicht nur für stumm, sondern auch für taub und so bekommt Dolors so einiges mit, was eigentlich geheim bleiben sollte... Ihr Schwiegersohn hat eine Affäre, ihre Tochter allerdings auch, ihre Enkelin ist magersüchtig und ihr Enkel homosexuell. Doch auch Dolors ist nie ein Engel gewesen. Geschickt verflicht die Autorin Blanca Busquets in "Die Woll-Lust der Maria Dolors" dreierlei Handlungsstränge: Zum einen möchte Dolors ihrer Enkelin Sandra einen Pullover stricken, des Weiteren erfährt der Leser, was alles im vermeintlich so normalen Haushalt von Leonor vor sich geht und zum anderen blickt Dolors immer wieder auf Episoden aus ihrem eigenen Leben zurück. Der Leser erfährt so nach und nach, was die Protagonistin so alles erlebt hat und kann an ihrem Erfahrungsschatz teilhaben. Diese raffinierte Verflechtung der drei Geschichten macht den Reiz des Buches aus, das mehr als einmal eine überraschende Wendung nimmt. Dabei bleibt der Roman keinesfalls oberflächlich, sondern ist zeitweilig auch sehr tiefgängig und regt zum Nachdenken an. Besonders der Schluss ist überraschend, da die Geschichte dort noch einmal aus anderen Perspektiven beleuchtet wird, aber mehr soll hier nicht verraten werden...

Wer weltoffen ist und sich zudem ein bisschen für die spanische Geschichte interessiert, wird an dem Buch ein wahres Lesevergnügen haben!