Ein Sommerhighlight!

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»Merke: Was darf’s sein, sagt man allgemein zu jedem Kunden. Mit „was darf’s denn heute sein“, betont man, dass man sich freut, die Stammkundin wiederzusehen.«
– S.288

Mei, war des a stimmigs Buach!
Von der ersten Seite weg werden wir von "Die Wunderfrauen" in die Zeit der 50er Jahre entführt. In die Nachkriegszeit, wo vieles noch in Trümmern liegt und im Aufbau begriffen ist, aber auch in die Wirtschaftswunderjahre, in denen die Menschen wieder zu Träumen beginnen und sich ihre Zukunft in bunten Farben ausmalen. Es ist eine Zeit der Gegensätze, Fortschritt trifft auf Tradition und zwischen all dem versteckt sich immer noch braunes Gedankengut.
Wie ich bereits sagte, das Buch war äusserst stimmig. Ohne viele Worte fühlte ich mich in diese Zeit zurückversetzt, hörte die verrückte Musik der Amerikaner, das knattern der alten Motorräder, fühlte mit Luise, Helga, Marie und Annabel mit, wenn sie unter den patriarchalischen Strukturen litten, träumte mit ihnen von einer gerechteren Welt.
Diese stimmige Atmosphäre, der Zeitgeist und das gemütliche, bayrische Setting am Starnberger See machen dieses Buch zu einem richtigen Schmankerl und zu einer unterhaltsamen und süchtig machenden Lektüre. Und natürlich bringt auch der mitreissende Schreibstil der Autorin Leben in die Geschichte.

»Nachdem Helga zwei ihrer grössten Koffer gepackt hatte, warf sie einen letzten Blick auf ihr verwüstetes Zimmer und stahl sich, noch etwas benebelt und wackelig auf den Beinen, aus dem Haus. Auf Nimmerwiedersehen.«
– S.67

Erzählt wird anhand von vier Frauenschicksalen. Louise Dahlmann möchte sich den lange gehegten Wunsch eines eigenen Tante Emma Ladens erfüllen. Annabel von Thaler ist die Gattin des Chefarztes der Starnberger Seeklinik und gefangen in ihrem goldenen Käfig. Maria Wagner wurde während des Krieges aus Schlesien vertrieben und Helga Knaup bricht mit ihren Eltern und ihrem vorgezeichneten Leben als Fabrikantentochter.
Die Geschichten der Frauen und ihrer Familien sind einfühlsam erzählt. Anders als noch ihre Mütter suchen sie sich ihr persönliches Glück, was auch mal abseits der vorgezeichneten Pfade liegen kann. Und vor allem nicht den Vorstellungen ihrer Väter oder Ehemänner entsprechen muss. Die vier Frauen entdecken ihre eigenen Wünsche, gehen ihre eigenen Wege und beginnen sich zu emanzipieren. Diese Entwicklung ist spannend mit zu verfolgen und ich freue mich darum schon sehr auf die Fortsetzungen.

"Die Wunderfrauen" ist einfach ein herzerwärmendes Buch für’s Gemüt, das aber durchaus auch Themen wie den Nationalsozialismus, Flucht und Vertreibung oder die Verschleppung in Arbeitslager aufgreift. Allerdings wird die Handlung an den Starnberger See verlegt, so dass gemütliche und bayrische nicht zu kurz kommt. Die authentische Atmosphäre verleiht dem Buch zudem das gewisse Etwas, so dass ich es nicht mehr aus der Hand legen mochte. Für mich ist "Die Wunderfrauen" ganz klar ein Lesehighlight dieses Sommers und ich freue mich auf die Fortsetzungen.