Endlich wieder leben und sich Träume erfüllen können...

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„Die Wunderfrauen – alles was das Herz begehrt“ von Stephanie Schuster ist der erste Band einer Trilogie. Der zweite Band soll im Februar 2021, der dritte im Herbst 2021 erscheinen.
Wir begleiten die vier jungen Frauen Luise, Helga, Marie und Annabel ca. ein Jahr von 1953 bis 1954, sie alle leben in Starnberg. Diese Frauen können unterschiedlicher nicht sein:
• Luise ist auf einem Bauernhof in der Nähe von Starnberg aufgewachsen, sie ist bodenständig und realistisch, ist verheiratet und träumt von einem kleinen Gemischtwarenladen
• Helga ist die rebellische „Tochter aus gutem (sprich: reichem) Haus“, bricht aber vollständig mit ihrem Elternhaus und beginnt eine Ausbildung als Krankenschwester
• Marie ist eine „Vertriebene“, eine Gutsbesitzertocher aus Niederschlesien, sie kann eigentlich nur Reiten und Malen, sie hat keine überlebenden Verwandte und Freunde – und hat auf der Flucht traumatische Erlebnisse gehabt
• Annabel, kommt aus Münster, sie hat während des Krieges einen Arzt geheiratet, der mittlerweile der Chefarzt einer Frauenklinik geworden ist. Sie lebt in einem „goldenen Käfig“ mit Geld und Angestellten, Ihr einziger Lebensinhalt ist ihr Sohn Friedrich
Die Autorin lässt die Frauen jeweils in eigenen Kapiteln ihre Vorgeschichte, ihre Wünsche, Hoffnung und Träume berichten, so dass wir Leser*innen sie gut „persönlich“ kennenlernen. Was mich besonders fasziniert hat: einzelne Begebenheiten erfahren wir quasi „doppelt“, jeweils von zwei Frauen aus ihrer Sicht berichtet – dadurch veränderte sich auch mein Blickwinkel und ich konnte Ereignisse anders (besser?) einordnen. Dieses stilistische Mittel kannte ich bisher nicht…
Mir haben auch die eingestreuten Notizen, Tagebucheinträge, Kochrezepte und Listen von Luise sehr gefallen, für mich hat es das Buch dadurch lebendiger gestaltet!
Auch den Zeitraum und -rahmen halte ich für ideal gewählt: diese Frauen waren wohl alle Ende der 20-er/Anfang der 30-er Jahre geboren, Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus, Erwachsenwerden im Krieg – nun haben sie zum ersten Mal die Möglichkeit einigermaßen selbstbestimmt über ihre Zukunft nachzudenken („einigermaßen selbstbestimmt“: Luise darf den Gewerbeschein für ihren Laden nicht selbst beantragen, dass muss ihr Mann machen und ihr „erlauben“, den Laden zu führen – bis in die 70-er Jahre mussten die Männer noch die Berufstätigkeit ihrer Frauen genehmigen!).
Man merkt dem Roman an, dass Frau Schuster gut und sorgfältig recherchiert hat, ich bin der Meinung, sie hat den damaligen Zeitgeist gut eingefangen und vermittelt ihn plastisch und authentisch.
Einige Schatten des Nationalsozialismus spürt man hinter und über den Fassaden, aber sie schwirren nur… Ich habe natürlich eigene Phantasien entwickelt, aber richtig geklärt werden die Andeutungen bis zum Ende dieses 1. Bandes nicht – ja, klar, es ist eine Trilogie… Aber ich hätte mir gewünscht, dass kleinere Episoden schon aufgedeckt worden wären…
Dies ist mein einziger Kritikpunkt an diesem Buch (und es entsprach natürlich auch dem damaligen Zeitgeist, die politische Vergangenheit nicht näher zu thematisieren, man könnte auch sagen: lieber unter den Teppich zu kehren!). Ansonsten habe ich durch Luise, Helga, Marie und Annabel gute Einblicke in das damalige Leben erhalten, ich fand ihre Entwicklungen sehr spannend und bin neugierig auf ihre zukünftigen Entscheidungen (denn natürlich endet das Buch mit einem fiesen Cliffhanger!).Ich habe mich durch das Buch sehr gut unterhalten gefühlt – ich kann es mit gutem Gewissen weiterempfehlen!