Emanzipation im Paris der 30er

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dj79 Avatar

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Whitney Scharer erzählt in ihrem Roman vom künstlerischen Leben im Paris der 30er Jahre. Sie berichtet zum einen von den Geldsorgen, die die Künstler seinerzeit plagten, gleichzeitig von ihrem aus heutiger Sicht verschwenderischen Lebensstil in Kaffeehäusern, Bistros, Bars und Theatern. Ihre Aufmerksamkeit gilt dabei hauptsächlich Elizabeth „Lee“ Miller, einer US-amerikanischen Fotografin, Fotojournalistin und surrealistischen Fotokünstlerin. Ihre Entwicklung vom Fotomodell zur Fotografin, sowie ihre gemeinsame Zeit mit Man Ray, stellen den Hauptanteil des Romans dar. Aus der Lifestyle-Perspektive heraus ergänzt der Roman sehr gut Agnès Poirier’s „An den Ufern der Seine“, betrachtet man das Frauenbild dieser Zeit, sehe ich Parallelen zu Pierre Lemaitre‘s „Die Farben des Feuers“.

Unterbrochen wird diese Haupthandlung von Einzelereignissen, die Lee Miller in ihrem späteren Leben als Kriegsfotografin porträtieren. In der ersten Buchhälfte habe ich diese Unterbrechungen als störend empfunden, da ich mich mehrfach orientieren musste, in welcher Zeitebene es nun weitergeht. Im Verlauf konnte ich mich daran gewöhnen. Trotzdem hat mir diese zeitlich spätere, unabhängig vom Hauptstrang erzählbare, aber im Stil einer Dokumentation immer wieder eingeschobene Geschichte nicht so gut gefallen. Die beiden Zeitebenen laufen weder aufeinander zu, noch gibt es einen deutlich genug ausgearbeiteten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen ihnen.

Wenn ich diesen einen Kritikpunkt ausblende, war die Lektüre über die mir bisher unbekannte Lee Miller sehr aufschlussreich und anregend. Der Roman hat mich zu weiterer Recherche animiert. Schön in diesem Zusammenhang ist, dass Whitney Scharer ihre Quellen in einem Literaturverzeichnis preisgibt, womit dem geneigten Leser weitere Vertiefungsmöglichkeiten eröffnet werden.

Fazit: Insgesamt ließ sich „Die Zeit des Lichts“ mit seiner schönen Sprache gut lesen. Besonders mochte ich die im Lesevergnügen automatisch erzeugte Horizonterweiterung, den Wissenszuwachs ohne Mühe. Um den Gesamtzusammenhang nicht aus den Augen zu verlieren, würde ich das Lesen in eher großen Abschnitten empfehlen.