Anschaulich erzähltes Familienschicksal

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Maria ist eine Frau die weiß, was sie will, ihrer Zeit weit voraus. Wir schreiben das Jahr 1896. Hochschwanger reist sie Wilhelm nach Anatolien hinterher, der als Ingenieur am Bau der Bagdadbahn arbeitet. Die beiden leben lange ohne Trauschein, Maria schenkt vier Kindern das Leben, jedoch müssen sie sich von der kleinen Traudl bald verabschieden.

„Ein Buch über unsere Verletzlichkeit in Zeiten großer Umbrüche. Und über die Kräfte, die dabei in uns erwachen.“

Der Lebenshunger von Maria ist gut spürbar, sie ist in ihrer Wahlheimat tief verwurzelt. Den Zwängen der Zeit um die Jahrhundertwende kann sie nichts abgewinnen, sie ist Wilhelms Gegenpol, der mit Akkuratesse und Zuverlässigkeit Struktur bietet. Dieser Teil des Buches ist sehr kurzweilig, amüsant zuweilen. Gerne hätte ich so ab und an hier wohnen wollen. Eine Zugfahrt mit Maria und Wilhelm war für mich sowas wie ein spannender Reisebericht.

Die Leichtigkeit des Seins, welche ich empfunden habe, so lange sie in Anatolien waren, ging dann rasch verloren. Der drohende erste Weltkrieg bringt die Familie auseinander, sie alle müssen fliehen, sind sie doch Österreicher. Hans und Erich, die in der Türkei geboren sind, sich hier zuhause fühlen, sind im wehrpflichtigen Alter. Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Auch dieser sehr viel ernstere Abschnitt ist gut zu lesen, die politischen Wirren treten immer mehr in den Vordergrund. Aus der einst so lebenslustigen Maria wird mehr und mehr eine verbitterte, verhärmte Frau. Da ist nicht mehr viel übrig von ihrer einstigen Verwegenheit. Sehr anschaulich und gut nachvollziehbar beschreibt Tanja Paar diese Jahre. Was so mutig begann mit dem Aufbruch nach Anatolien, endet so hoffnungslos. Gescheitert? Der Kampfgeist, der so unendlich vorhanden war – wo ist er hin?

Gerne habe ich diesen Roman gelesen und Anteil genommen am Schicksal der auseinanderdriftenden Familie. Ein lesenswertes, sehr interessantes Familienepos.