Ohne festen Wohnsitz

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wilde hummel 1 Avatar

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Die zitternde Welt als Titel birgt bereits den Hinweis auf das Kommen der beiden Weltkriege, die die gesamte Welt erschüttern und Kopf stehen lassen. So ist auch das Titelbild ein auf dem Kopf stehender Baum und ein Symbol der Entwurzelung. Der Roman von Tanja Paar beginnt im Jahr 1986, in welchem eine junge, schwangere Frau ihrem Geliebten nach Anatolien nachreist. Dort erlebt Maria eine glückliche Zeit. Sie erlebt sich in ihrer Wirksamkeit. Sie erschafft Heimat, sie gebärt vier Kinder, von denen eines verstirbt, sie hat einen Nebenmann als Geliebten, sie gestaltet ihr Leben. Wilhelm, ihr Mann, baut als Ingenieur mit an einer Eisenbahnverbindung von Berlin bis Bagdad. Doch immer mehr wird die vermeintliche Sicherheit brüchig. Nicht nur die unterschiedlichen Charaktere der Protagonisten führen zu Machtkämpfen und Konflikten, sondern die Ereignisse im fernen Österreich, die einen Weltkrieg auslösen, machen nicht Halt an den Grenzen des Osmanischen Reiches und zerreißen letztendlich auch die Familie. Tanja Paar beschreibt die Geschichte aus den wechselnden Perspektiven der Familienmitglieder und dadurch wird die Zeitspanne und der Roman so fesselnd und vielschichtig. Als Leserin war ich persönlich und historisch ganz nah dabei in einer Familienchronik in einer extrem turbulenten Zeitspanne. Die Geschichte ist auch eine Geschichte von Gewinn und Verlust, von trügerischen Sicherheiten, vom Festhalten und Verfall familiärer Verbindlichkeiten und Rollen. Die Sprache ist flüssig, prägnant und zugleich bildreich und intensiv. Tanja Paar ist hier ein Roman gelungen, der ungemein kompakt und dicht und dennoch so vielschichtig und umfassend ist. Ein tolles Buch.