Faszinierende Sicht auf das etwas "andere" Sylt

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MEINE MEINUNG
Nach ihrem sehr unterhaltsamen Roman „Ozelot und Friesennerz“ nimmt uns die deutsche Journalistin und Autorin Susanne Matthiessen in ihrem neuen Werk „Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen“ erneut mit auf ihre Heimatinsel Sylt. Wie der Untertitel „Roman einer Sylter Jugend“ andeutet, lässt uns Matthiessen diesmal an ihren facettenreichen Jugenderinnerungen teilhaben, die allesamt auf wahren Begebenheiten beruhen.
Authentisch und anschaulich erzählt sie über so manche Katastrophen und private Krisen und lässt die Erlebnisse vor unserem inneren Auge lebendig werden, so dass wir an ihrer Seite mühelos ins Sylt der 1980ger Jahre eintauchen können. Es ist eine überaus kontrastreiche und faszinierende Zeitreise auf Deutschlands beliebteste Ferieninsel, die mich wieder bestens unterhalten konnte.
Der Schreibstil der Autorin ist angenehm leicht, humorvoll und lebendig, und besticht darüber hinaus durch ihren unsentimentalen, äußerst kritischen Blick auf gesellschaftspolitische Geschehnisse und allgemeine Entwicklungen.
„Ich bin hier geboren und aufgewachsen, ich kenne jeden Halm und jedes Sandkorn, doch das ist ein Trugschluss. Diese Insel ist für mich neu und unbekannt.“
Als Einstieg hat sie die fast unwirkliche Realität des Lockdowns gewählt, der zu einem Abbruch der Touristenströme und einem abrupten Stillstand des Sylter Lebens führte. Erfasst von einer plötzlichen Ruhe und Stille setzt eine Art „Innehalten“ ein und unwillkürlich auch eine Rückbesinnung auf die vergangenen Zeiten. In den unterschiedlichen Kapiteln, die jeweils von einem nachdenklich stimmenden Zitat eingeleitet werden, gewährt die Autorin uns aufschlussreiche Einblicke in nachhaltig prägende Erlebnisse und teilweise sehr witzige Anekdoten aus ihrer außergewöhnlichen Sylter Jugend. Äußerst gelungen bringt die Autorin uns das einzigartige Insel-Flair, das ausnahmslos auf den Tourismus ausgerichtete Alltagsleben und die besondere Mentalität der Insulaner näher.
Ob nun die Geschichte über die Invasion der deutschen Punkerszene auf Sylt, die interessanten Ereignisse rund um die Große Sturmflut oder die familiären Aufregungen um Omas Hochzeitspläne - die geschilderten Episoden eröffnen einen humorvollen, tiefgründigen und bisweilen ernüchternden Blick auf das quirlige unbeschwerte Inselleben und hinter die glanzvolle Fassade dieses oftmals so verklärten Inselmythos. Gekonnt zeichnet Susanne Matthiessen das schillernde Portrait einer Insel, die für viele als der Sehnsuchtsort schlechthin gilt – ein idyllisches Natur- und Ferienparadies an der Nordsee, ein angesagter Treff für die Haute-Volée, Politiker sowie den dekadenten Jetset aber auch eine nach wie vor florierende Hochburg für geschäftstüchtige Investoren. Zugleich arbeitet sie sehr anschaulich die Schattenseiten der besonderen „Sylter Zustände“, die unaufhaltsamen Veränderungen durch den Tourismus, die Kehrseiten von grenzenlosem Reichtum und Profitgier aber auch die Folgen diverser Extremwetterereignisse für die angeschlagene Inselwelt heraus. Gekonnt wirft die Autorin immer wieder einen sehr kritischen und melancholischen Blick auf die verschiedenen (Fehl-)Entwicklungen auf ihrer geliebten Insel. Nicht für alle hat diese ein Leben auf der Sonnenseite bereitgehalten. Eingeflochten in die eher unterhaltsamen Sylter-Erzählungen ist zudem die sehr beklemmende und nachdenklich stimmende Geschichte über ihre Freundin Pfuschi, in der schrittweise Einblicke in deren persönliches Schicksal und eine erschütternde Familientragödie enthüllt und unfassbare Abgründe menschlichen Verhaltens aufgezeigt werden.
In den unterschiedlichen Episoden begegnet uns ein Panoptikum bemerkenswerter Menschen – neben vielen Prominenten lernen wir auch Sylter Unikate, Weggefährten und etliche Vertreter des „ganz persönlichen Sylt-Vereins“ der Autorin kennen. So erfahren wir natürlich auch mehr über das Schicksal des einstmals so renommierten elterlichen Pelzgeschäfts in Westerland und können uns über weitere Begegnungen mit ihrem künstlerisch veranlagten Vater Peida als leidenschaftlichem Kürschner, ihrer geschäftstüchtigen Mutter Telse als geniale Strategin und der etwas widerspenstigen Oma Ally freuen.
Man spürt deutlich, wie sehr die Autorin mit ihrem wundervollen Sylt verwurzelt und mit den urigen Insulanern verbunden ist, und wie schmerzhaft der gnadenlose Ausverkauf und schrittweise Verlust der geliebten Heimat für sie sind.

FAZIT
Eine gelungene Zusammenstellung von humorvoll und kurzweilig erzählten, aber auch sehr nachdenklich stimmenden Geschichten über die spannende Sylter Jugendzeit der Autorin.
Eine lesenswerte, vielschichtige Hommage an ein Sylt im Wandel der Zeiten - mit sehr scharfsichtigen Einblicken hinter die Kulissen und kritischen Betrachtungen zur aktuellen, prekären Lage dieser „Sehnsuchtsinsel“.